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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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legen wir Wert auf Privatsphäre.
    Aber Oma, dieser Lehrer ist Ire.
    Ach ja? Also das sind die Schlimmsten, die reden ständig und singen von irgendwelchen grünen Sachen oder werden erschossen oder aufgehängt.
    Andere kommen mit Geschichten an, wie sie ihre Altvorderen nach der Vergangenheit fragen, und sofort brechen die Dämme, und die alten Leute hören gar nicht mehr auf zu reden, sie erzählen bis zur Schlafenszeit und darüber hinaus, von Herzeleid und Tränen, der Sehnsucht nach der alten Heimat, ihrer Liebe zu Amerika. Die Beziehungen innerhalb der Familie werden neu geordnet. Der sechzehnjährige Milton sieht seinen Opa plötzlich mit ganz anderen Augen.

    Im Zweiten Weltkrieg hat Opa unglaubliche Abenteuer erlebt. Einmal hat er sich in die Tochter eines SS-Offiziers verliebt und wäre dafür beinahe erschossen worden. Opa konnte fliehen und versteckte sich auf einer Müllkippe in einer, einem Dingsda, wie nennt man das noch, von einer Kuh.
    In einer Kuhhaut?
    Ja. Die Kuhhaut lag da nur, weil sie schon halb von Ratten aufgefressen war, und die Viecher mußte er sich vom Leibe halten. Drei Tage mußte er sich in dem Versteck gegen die Ratten wehren, dann hat ihn ein katholischer Priester gesehen und ihn im Keller seiner Kirche versteckt, bis ein Jahr später die Amerikaner kamen. Die ganzen Jahre hat Opa in der Ecke gesessen, und ich hab nie mit ihm geredet und er nicht mit mir. Sein Englisch ist immer noch nicht besonders, aber das ist keine Entschuldigung. Jetzt hab ich ihn auf dem Tonband, und meine Eltern, man glaubt es kaum, meine Eltern sagen, wozu das alles?
    Clarence war schwarz, intelligent und schüchtern. Er saß zusammen mit drei anderen Schwarzen ganz hinten und beteiligte sich nie an einer Diskussion im Unterricht. Er und seine Freunde rissen heimlich ihre Witze, und das ärgerte mich, dieses schwarze Ränkespiel. Gleichzeitig dachte ich, wenn ich schwarz wäre, dann wäre genau das auch mein Platz, ganz hinten in meinem eigenen kleinen Getto, wo ich mich hinter vorgehaltener Hand über den weißen Lehrer lustig machen würde.
    David war schwarz, intelligent und kein bißchen schüchtern. Er saß an einem der großen Fenster bei seinen weißen Freunden, die immer mit ihm zusammen hereinkamen und hinausgingen. Wenn ich der Klasse eine Frage stellte, ging seine Hand hoch, und wenn seine Antwort falsch war, schüttelte er aufgebracht den Kopf und sagte, ach, Mist. Die anderen versuchten, ihn nachzumachen, aber keiner konnte wie David Ach, Mist sagen. Und keiner konnte so wie David für Heiterkeit sorgen. Es gab Schüler, die ihren Stundenplan ändern ließen, nur um mit ihm in einer Klasse zu sitzen. Wenn er, immer am Freitag, seine
Geschichten und Aufsätze vorlas, brüllten sie vor Lachen. Letzten Montag früh stieg ich aus dem Bett, oder ich stieg nicht aus dem Bett. Ich träumte nur, daß ich aus dem Bett stieg, und ich könnte auch jetzt nicht beschwören, daß ich im Bett oder nicht im Bett war oder davon träumte oder vielleicht nur träumte, daß ich davon träumte. Das ist alles Mr. Lippers Schuld, weil der hat sich in der Philosophiestunde über dieses chinesische Gleichnis verbreitet, wo ein Mann träumt, daß er ein Schmetterling ist, oder war es ein Schmetterling, der geträumt hat, er ist ein Mann? Oder ein Schmetterling. Ach, Mist.
    Alle lachten, nur Clarence nicht. Seine drei Freunde lachten, wenn auch ein bißchen verlegen. Ich fragte ihn, ob er heute etwas vorlesen wolle. Er schüttelte den Kopf. Ich sagte, in Kreativem Schreiben werde das von jedem Schüler erwartet, und wenn er Bedenken habe, selbst zu lesen, könne ja vielleicht jemand anderer vorlesen, was er geschrieben habe. Seine Wurstigkeit irritierte mich. Ich wollte eine einzige glückliche Klasse mit lauter Davids haben, die Ach, Mist sagen.
    An dem Tag hatte ich Aufsicht in der Kantine. Clarence saß mit einer Gruppe schwarzer Kids an einer Wand. Sie lachten über seine Hitlerparodie: eine Wurst als Bärtchen zwischen Oberlippe und Nase, eine Schüssel auf dem Kopf, den rechten Arm zum Hitlergruß ausgestreckt. Der Kantinen-Clarence war ein anderer als der Klassen-Clarence.
    David sah von einem anderen Tisch aus zu, schweigend, ohne zu lächeln.
    Nach dem Mittagessen fragte ich Clarence, ob er irgendwann einmal etwas vorlesen wolle. Nein, er habe nichts zu sagen.
    Nichts?
    Na ja, so wie David könnte ich es nie machen.
    Du mußt es nicht so machen wie David.
    Trotzdem, es würde Ihnen nicht gefallen. Die einzigen

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