Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
Vom Netzwerk:
schäbigen Resten einstiger Pracht, dem Hemd von diesem, den Hosen von jenem. Und dann zeigte sie, wie raffiniert sie war. Sie habe nur noch sehr wenig Geld übrig, aber wenn Mr. Parker sich einen Ruck geben und noch ein Paar Schuhe, zwei Hemden, zwei Paar Sokken und den wunderhübschen grünen Schlips mit den goldenen Harfen drauflegen könnte, würde sie ihm das nie vergessen. Es würde nicht lang dauern, bis Frank Dollars aus Amerika schikke, und wenn sie dann Töpfe, Pfannen und einen Wecker brauche, werde sie sofort an Nosey denken. Tatsächlich sehe sie in seinem Laden jetzt schon ein halbes Dutzend Artikel, ohne die sie nicht mehr würde leben können, wenn erst einmal die Dollars hereinströmten.
    Nosey war kein Einfaltspinsel. Er stand schon lange genug hinter seinem Tresen, um die Finten seiner Kunden zu kennen. Er wußte auch, daß meine Mutter eine ehrliche Haut war und es
verabscheute, Schulden zu machen. Er sagte, er lege großen Wert darauf, sie als Kundin zu behalten, und er wolle natürlich auch nicht, daß der junge Mann zerlumpt in Amerika lande. Was würden die Yanks da sagen? Für ein Pfund mehr, na ja, meinetwegen ziehen Sie noch einen Shilling ab, könne sie die zusätzlichen Artikel haben.
    Meine Mutter sagte, er sei ja doch ein anständiger Mensch, er werde ein Bett im Himmel bekommen und sie werde ihm das nicht vergessen, und es war eigenartig zu sehen, wieviel Respekt sie voreinander hatten. Die armen Leute von Limerick hatten für Pfandleiher nichts übrig, aber wo wären sie ohne sie geblieben?
    Nosey führte keine Koffer. Seine Kundschaft mache nur selten Weltreisen, und darüber lachte er herzlich mit meiner Mutter. Er sagte, ahoi, ihr Weltreisenden. Meine Mutter warf mir einen Blick zu, als wollte sie sagen, schau ihn dir genau an, es kommt nicht alle Tage vor, daß man ihn lachen sieht.
    Feathery Burke, in Irishtown, hatte Koffer im Angebot. Er verkaufte alles, was alt, gebraucht, ausgestopft und nutzlos war oder nur noch fürs Feuer taugte. Ah, ja, er habe genau das Richtige für diesen jungen Mann, der nach Amerika reise und seiner armen alten Mutter Geld schicken werde, Gott segne ihn.
    Alt bin ich ja noch nicht, sagte meine Mutter, also sparen Sie sich Ihr Gesülze. Was soll der Koffer kosten?
    Yerra , Missis, den lasse ich Ihnen für zwei Pfund, ich will ja nicht zwischen dem Jungen und seinem Glück in Amerika stehen.
    Meine Mutter sagte, bevor sie zwei Pfund für diesen ramponierten Pappkarton zahle, der nur noch mit Spucke und einem Stoßgebet zusammenhalte, werde sie meine Sachen in Packpapier wickeln und mit Bindfaden verschnüren und mich so auf die Reise nach New York schicken.
    Feathery erschrak. Frauen aus den finstersten Gassen von Limerick hatten nicht derart aufzutrumpfen. Sie hatten Höhergestellten Achtung zu erweisen und sich nicht über ihren Stand zu
erheben, und auch ich war überrascht, meine Mutter so streitlustig zu sehen.
    Sie setzte sich durch. Sie sagte Feathery, seine Forderung sei pure Wegelagerei, da sei es uns ja unter den Engländern noch besser ergangen, und wenn er nicht mit dem Preis runtergehe, werde sie sich an den rechtschaffenen Nosey Parker wenden müssen. Feathery lenkte ein.
    Allmächtiger, Missis. Bloß gut, daß ich keine Kinder habe – wenn ich es jeden Tag mit Ihresgleichen zu tun hätte, müßten sie in der Ecke stehen und wimmern vor Hunger.
    Sie sagte, mir kommen gleich die Tränen vor Mitleid mit Ihnen und den Kindern, die Sie nicht haben.
    Sie faltete die Kleider zusammen, legte sie in den Koffer und sagte mir, das bringe sie schon mal nach Hause, damit ich loslaufen und mir das Buch kaufen könne. Sie entfernte sich von mir, die Parnell Street entlang, und paffte eine Zigarette. An diesem Tag schritt sie energisch aus, als würden die Kleider, der Koffer und mein Abschied irgendwelche Türen öffnen.
    Ich ging in O’Mahonys Buchhandlung, um mir das erste Buch meines Lebens zu kaufen, das Buch, das ich in meinem Koffer nach Amerika mitnahm.
    Es waren Die Werke William Shakespeares in einem Band , erschienen bei der Shakespeare Head Press, Odhams Press Ltd. and Basil Blackwell, MCMXLVII. Hier ist das Buch – der Einband eingerissen und nur dank Klebeband noch nicht vollends vom Buchblock gelöst. Ein abgegriffenes, vollgekritzeltes Buch. Passagen sind darin unterstrichen, die mir irgendwann einmal wichtig waren, aber wenn ich sie heute lese, weiß ich kaum noch, warum. Am Rand stehen Kommentare, beifällige Anmerkungen,

Weitere Kostenlose Bücher