Tag und Nacht und auch im Sommer
an der Modeschule seien zwar keine Intelligenzbestien, aber anständige junge Leute, die nützliche Handwerksberufe wie Zuschneiden und Nähen, Schuhmacherei, Polsterei lernen, und da sei doch verdammt noch mal nichts gegen einzuwenden, oder? Sie würden nützliche Mitglieder der Gesellschaft werden, und ich solle nie den Fehler machen, auf die Schüler von Berufsschulen herabzusehen.
Ich sagte ihm, ich hätte gerade acht Jahre an einer Berufsschule hinter mir und dächte nicht im Traum daran, auf irgendwen herabzusehen.
Ach ja? Welche Schule?
McKee, Staten Island.
Er schniefte. Na ja, den besten Ruf hat die ja nicht.
Ich brauchte die Stelle und wollte ihn nicht verärgern. Ich sagte, alles, was ich vom Unterrichten wisse, hätte ich an der McKee gelernt. Er meinte, wir werden sehen. Ich hätte ihm am liebsten gesagt, er solle sich seine Stelle sonstwohin stecken, aber das wäre das Ende meiner Lehrerlaufbahn gewesen.
Es war klar, daß meine Zukunft nicht an dieser Schule lag. Ich fragte mich, ob ich überhaupt irgendwo im Schulwesen eine Zukunft hatte. Er sagte, vier Lehrer in seiner Abteilung machten gerade Kurse in Schulleitung und Verwaltung, und ich solle mich nicht wundern, wenn sie eines Tages hohe Stellungen in Schulen irgendwo in der Stadt einnähmen.
Wir sitzen hier nicht auf unseren Ärschen, sagte er. Wir gehen vorwärts und aufwärts. Und was sind Ihre langfristigen Pläne?
Ich weiß nicht. Ich glaube, ich bin bloß hierhergekommen, weil ich Lehrer sein möchte, sagte ich.
Er schüttelte den Kopf, konnte sich über einen solchen Mangel an Ehrgeiz nur wundern. Ich sei nicht dynamisch genug. Die vier Lehrer, die jetzt die Kurse machten, hätten es ihm zu verdanken, daß sie vorwärts und aufwärts und woandershin gehen. Sagte er. Warum sollten sie ihr ganzes Leben in Klassenzimmern mit Kindern zubringen, wenn ihnen die Korridore der Macht offenstünden?
Ich hatte eine Anwandlung von Courage und fragte ihn, wenn jeder vorwärts und aufwärts und woandershin geht, wer unterrichtet dann die Kinder?
Er ging nicht auf die Frage ein, sondern lächelte nur schmallippig.
Ich hielt ein Halbjahr durch, von September bis Januar, dann drängte er mich hinaus. Vielleicht lag es an der Geschichte mit dem Schnürsenkel und der zusammengerollten Zeitschrift, vielleicht aber auch an meinem Mangel an Dynamik und Ehrgeiz. Trotzdem lobte er mich auf einer Lehrerkonferenz für die
Unterrichtsstunde, in der ich zur Erklärung der Satzteile einen Kugelschreiber als visuelles Hilfsmittel verwendet hatte.
Das ist das Plastikröhrchen mit der Farbe. Was passiert, wenn man dieses Röhrchen aus dem Kuli nimmt?
Meine Schüler schauen mich an, als könnten sie es nicht fassen, daß ich eine derartige Idiotenfrage stelle. Mann, dann kann man nicht mehr schreiben.
Okay. Was halte ich hier in der Hand?
Wieder dieser nachsichtige Blick. Das ist eine Feder, Mann.
Und was passiert, wenn man die Feder rausnimmt?
Wenn man dann versucht, die Mine rauszuschieben, schreibt der Kuli nicht, weil keine Feder mehr da ist, die macht, daß die Spitze vorn rausschaut, wo man mit schreibt, und dann kriegt man mächtig Ärger, weil man seine Hausaufgabe nicht machen kann und der Lehrer einen für verrückt hält, wenn man in die Schule kommt und etwas von fehlenden Federn oder Minen erzählt.
Seht her, was ich jetzt an die Tafel schreibe. »Die Feder macht den Kuli.« Was ist das Subjekt dieses Satzes? Mit anderen Worten, wovon ist in diesem Satz die Rede?
Von dem Kuli.
Nein, nein, nein. Da ist ein Tätigkeitswort drin. Ein sogenanntes Verb. Welches Wort meine ich?
Ah, ja. Die Feder.
Nein, nein, nein. Die Feder ist ein Ding.
Stimmt. Die Feder ist ein Ding, klar.
Also, was macht die Feder?
Die Feder macht, daß der Kuli funktioniert.
Gut. Die Feder führt die Tätigkeit aus. Wir reden von der Feder, stimmt’s?
Sie sind nicht überzeugt.
Angenommen, wir würden sagen, der Kuli macht, daß die Feder funktioniert. Wäre das richtig?
Nein. Die Feder macht, daß der Kuli funktioniert. Das kapiert doch jeder.
Welches Wort ist also das Tätigkeitswort?
Macht.
Richtig. Und zu welchem Hauptwort gehört das Tätigkeitswort ?
Zur Feder.
Ihr seht also, daß ein Kuli wie ein Satz ist. Er braucht etwas, damit er funktioniert. Er braucht eine Tätigkeit, ein Verb. Habt ihr das verstanden?
Sie bejahten. Der Fachbereichsleiter, der sich im Hintergrund Notizen machte, wirkte verwirrt. Bei der Nachbesprechung sagte er, der
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