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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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kann man kein Englisch lernen. Ich hab ständig Ärger mit meinen Eltern wegen Fred Astaire.

    Na ja, das ist ja auch ungewöhnlich, Nancy.
    Außerdem beobachte ich genau, wie Sie unterrichten.
    Aha.
    Und ich frage mich, warum Sie so verkrampft sind. Sie können doch Englisch, also könnten Sie doch ganz entspannt sein. Die anderen sagen alle, wenn sie Englisch könnten, wären sie absolut locker. Manchmal sind Sie nicht verkrampft, und das mögen die. Sie mögen es, wenn Sie Geschichten erzählen und singen. Wenn ich verkrampft bin, singe ich »Dancing in the Dark«. Das sollten Sie auswendig lernen, Mr. McCourt, und es vor der Klasse singen. So übel ist Ihre Stimme gar nicht.
    Nancy, ich soll hier Englisch unterrichten. Nicht den Alleinunterhalter spielen.
    Können Sie mir sagen, wie aus mir eine unverkrampfte Englischlehrerin werden kann?
    Aber was würden deine Eltern dazu sagen?
    Die halten mich sowieso für verrückt, und sie sagen, sie bereuen es, daß sie mich aus China weggebracht haben, wo es keinen Fred Astaire gibt. Sie sagen, ich bin überhaupt keine Chinesin mehr. Sie sagen, was hat es für einen Sinn, den ganzen weiten Weg aus China herzukommen, nur um Lehrerin zu werden und sich Fred Astaire anzuhören? Lehrerin hätte ich auch zu Hause werden können. Man kommt hierher, um Geld zu verdienen, sagen meine Eltern. Mr. McCourt, werden Sie mir sagen, wie ich Englischlehrerin werden kann?
    Ja, Nancy.
    Danke, Mr. McCourt. Stört es Sie, wenn ich im Unterricht Fragen stelle?
    Im Unterricht sagt sie, Sie können froh sein, Sie konnten schon Englisch, als Sie nach Amerika gekommen sind. Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie nach Amerika kamen?
    Konfus. Wißt ihr, was konfus bedeutet?
    Das Wort macht die Runde. Sie erklären es sich gegenseitig in ihren Muttersprachen, und ich sehe nickende Köpfe, ja, ja. Es
wundert sie, daß der Mann da oben, der Lehrer, auch mal konfus war wie sie, obwohl er doch Englisch konnte und so. Jetzt haben wir etwas gemeinsam: Konfusion.
    Ich sage, als ich nach New York kam, hätte ich auch Schwierigkeiten mit der Sprache und mit den Namen von Dingen gehabt. Ich mußte Lebensmittelwörter lernen: sauerkraut, cole slaw, hot dog, bagel mit a schmeer.
    Dann erzähle ich ihnen von meinen ersten Unterrichtsstunden, die nichts mit Schule zu tun hatten. Jahre bevor ich Lehrer wurde, habe ich in einem Hotel gearbeitet. Big George, ein puertoricanischer Koch, sagte mir, fünf Küchengehilfen wollten Englisch lernen und würden mir jeder fünfzig Cent zahlen, wenn ich ihnen Wörter beibrächte, einmal die Woche, in der Mittagspause.
    Zwei Dollar fünfzig die Stunde. Am Monatsende würde ich zwölf Dollar fünfzig haben, soviel hatte ich noch nie in so kurzer Zeit verdient. Sie wollten die Namen der Gegenstände in der Küche wissen, denn wenn man die englischen Namen der Dinge nicht kennt, wie soll man es da zu etwas bringen im Leben ? Sie hielten die Gegenstände hoch, und ich sagte ihnen die Namen und schrieb sie auf Zettel. Sie lachten und schüttelten den Kopf, als ich ihnen nicht auf Anhieb sagen konnte, wie das flache Ding mit dem Griff heißt, ein Pfannenwender, der erste, den ich je gesehen hatte. Big George lachte, daß sein Schmerbauch wackelte, und sprach ihnen das Wort vor, so gut er es konnte.
    Sie wollten wissen, wieso ich Englisch kann, wo ich doch aus einem fremden Land komme, das nicht zu England gehört, und ich mußte ihnen erzählen, wie Irland erobert wurde, wie die Engländer uns so lange drangsalierten und quälten, bis wir ihre Sprache übernahmen. Als ich über Irland sprach, verstanden sie manche Wörter nicht, und ich überlegte, ob ich nicht einen Zuschlag dafür verlangen sollte, daß ich ihnen die auch erklärte, oder konnte ich nur Küchenwörter in Rechnung stellen? Ich ließ
es bleiben, weil sie immer so traurig dreinschauten, wenn ich über Irland sprach, si, si, si sagten, mir auf die Schulter klopften und mir anboten, von ihrem Sandwich abzubeißen. Sie verstanden mich, weil sie ebenfalls erobert worden waren, erst von den Spaniern, dann von den Amerikanern, so gründlich erobert, daß sie nicht mehr wußten, wer sie waren, nicht mehr wußten, ob sie Schwarze oder Weiße oder Indianer waren oder alles zusammen, und das kann man seinen Kindern nur schwer begreiflich machen, denn sie wollen nur eins sein, nicht dreierlei auf einmal, und das ist der Grund, warum sie in dieser fettigen Küche Böden wischen und Töpfe und Pfannen waschen. Big George sagte, das

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