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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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dem Gesicht an der Wand stehen, und er ist ständig mit so einer Art Schwert auf mich losgegangen und hat mich dabei angebrüllt. Am Ende von der Lektion sagte er, ich bin in die Schule aufgenommen, allerdings muß ich vor dem Heimgehen noch das Klo putzen, für den Fall, daß ich mir jetzt
groß was einbilde. Ich hab also gewußt, was los war, wie Sie mir an dem Tag das Bein weggezogen haben. Ich hab gewußt, Sie müssen Ihren Arsch retten, und damit hab ich leben können, weil ich diese Welt nicht brauche und Sie ein ganz guter Lehrer sind und es mir scheißegal war, was die andern in der Klasse denken. Wenn Sie wieder mal das Bedürfnis haben, den großkotzigen Lehrer zu spielen, sollten Sie nach Hause gehen und Ihr Klo putzen.
     
    Die traurige Wahrheit über die öffentlichen Schulen Amerikas: Je weiter man sich vom Klassenzimmer entfernt, um so mehr Geld und berufliches Ansehen heimst man ein. Man erwirbt die Lehrerlaubnis und unterrichtet zwei, drei Jahre. Dann belegt man Kurse in Verwaltung, Schulleitung und Studienberatung, und mit den neuen Befähigungsnachweisen bezieht man ein Büro mit Klimaanlage, Privattoilette, langer Mittagspause, Sekretärinnen. Man braucht sich nicht mehr mit großen Klassen aufsässiger Kinder rumzuschlagen. Man versteckt sich in seinem Büro und braucht die kleinen Scheißer nie mehr zu sehen.
    Und ich war achtunddreißig, hatte keinerlei Ehrgeiz, in der Schulhierarchie aufzusteigen, schwamm so im amerikanischen Traum mit, sah der Midlife-crisis entgegen, ein gescheiterter Englischlehrer an der High School, den, so dachte ich jedenfalls, nur seine Vorgesetzten, die Rektoren und ihre Assistenten, am Vorwärtskommen hinderten.
    Ich hatte Angst, und ich wußte nicht, was mir eigentlich fehlte. Alberta sagte, warum machst du nicht deinen Doktor, damit endlich was aus dir wird?
    Na gut, sagte ich.
    Die New York University hätte mich zur Promotion angenommen, aber meine Frau meinte, warum gehst du nicht nach London oder Dublin?
    Willst du mich loswerden?
    Sie lächelte.

     
    Als ich sechzehn war, machte ich mit einem Freund einen Tagesausflug nach Dublin und stand mit dem Rücken an einer grauen Steinmauer, um mir eine Parade anzusehen. Die graue Mauer gehörte zum Trinity College, und ich wußte nicht, daß das als ausländisches Territorium galt: englisch und protestantisch. Ein Stück weiter die Straße runter hielten Gitterzäune und ein riesiges Tor mich und meinesgleichen davon ab, das Gelände zu betreten. Davor standen Statuen von Edmund Burke und Oliver Goldsmith. Ach, sagte ich, da ist er ja, gleich da drüben, der Mann, der »Das verödete Dorf« geschrieben hat, das ich in der Schule hatte auswendig lernen müssen.
    Mein Freund aus Limerick, der sich in der Welt besser auskannte als ich, sagte, schau dir Oliver und die anderen noch mal gut an, denn einer wie du wird nie durch das Tor da gehen. Der Erzbischof hat gesagt, jeder Katholik, der aufs Trinity geht, wird automatisch exkommuniziert.
    Von da an fühlte ich mich jedesmal, wenn ich in Dublin war, zum Trinity hingezogen. Ich stand vor dem Tor und bewunderte den eleganten Schwung, mit dem die Studenten ihre flatternden Trinity-Schals über die Schulter warfen. Ich bewunderte ihren Akzent, der englisch klang. Ich begehrte die schönen protestantischen Mädchen, die mich keines Blickes würdigten. Sie würden Männer ihres Standes heiraten, allesamt Protestanten mit Pferden, und wenn sich einer wie ich erdreisten sollte, eine von ihnen zu heiraten, würde er im hohen Bogen aus der katholischen Kirche rausfliegen und für immer verdammt sein.
    Amerikanische Touristen in ihren knallbunten Sachen schlenderten in dem College ein und aus, und ich hätte gern den Mut gehabt, auch einmal hineinzugehen, aber wenn der Mann am Tor mich gefragt hätte, was ich hier wollte, hätte ich keine Antwort gewußt.
    Sechs Jahre später kam ich wieder nach Irland, in meiner amerikanischen Army-Uniform, die mir, wie ich hoffte, einiges Ansehen einbringen würde. Das tat sie auch, solange ich den
Mund nicht aufmachte. Ich versuchte, mir einen zur Uniform passenden amerikanischen Akzent zuzulegen. Es funktionierte nicht. Kellnerinnen eilten beflissen herbei und zeigten mir einen Tisch, aber kaum hatte ich den ersten Satz gesagt, sagten sie, arrah , Jaysus, du bist ja gar kein Yank, aber schon gleich gar nicht. Du bist ein Ire wie jeder andere auch. Wo bist du her? Ich gab mich als GI aus Alabama aus, aber eine Bedienung in Bewley’s Café in

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