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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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weil ich ja nach Dublin an eine berühmte Universität gehen und sie mich die nächsten zwei Jahre kaum sehen würde – soviel Zeit gestand einem Trinity für die Abfassung und Verteidigung einer Doktorarbeit zu.

    Im Prüfungsfach Mathematik erzielte ich bei dem Test wahrscheinlich die niedrigste Punktzahl aller Zeiten.
    Alberta buchte mir eine Koje auf der Queen Elizabeth . Es war die vorletzte Atlantiküberquerung des Ozeanriesen in östlicher Richtung. An Bord feierten wir ein bißchen, weil sich das so gehörte. Wir tranken Champagner, und als die Besucher von Bord gehen mußten, gab ich ihr einen Kuß, und sie gab mir auch einen. Ich sagte, sie werde mir fehlen, und sie sagte, ich würde ihr fehlen, aber ich bin mir nicht sicher, ob einer von uns beiden die Wahrheit sagte. Ich war beschwipst von dem Champagner, und als das Schiff ablegte, winkte ich, ohne zu wissen, weshalb. Das ist mein Leben, dachte ich. Winken, ohne zu wissen, weshalb. Eine tiefsinnige Erkenntnis, über die ich weiter nachdenken wollte, aber ich bekam Kopfschmerzen davon und machte etwas anderes.
    Das Schiff fuhr in den Hudson ein und nahm Kurs auf die Narrows. Als wir an Ellis Island vorbeikamen, stand ich natürlich auf Deck und winkte. Alle anderen winkten der Freiheitsstatue zu, aber mein Winken galt Ellis Island, dem Ort der Hoffnung und der Verzweiflung.
    Ich dachte daran, wie ich vor vierunddreißig Jahren als Knirps von fast vier Jahren hier gewinkt und gewinkt hatte, auf der Fahrt nach Irland, und jetzt war ich wieder hier und winkte, aber was machte ich hier, wo wollte ich hin und was sollte das Ganze?
    Wenn man allein ist und noch ein bißchen benebelt vom Champagner, läuft man auf dem Schiff herum, erkundet es. Ich bin auf der Queen Elizabeth und fahre nach Dublin, ins Trinity College, wenn’s recht ist. Hast du bei all deinem Kommen und Gehen, bei all deinem Winken je gedacht, daß du dich dereinst auf die Seite des Feindes schlagen würdest? Trinity College, das Protestantencollege, stets loyal gegenüber dieser oder jener Majestät, und was hat Trinity jemals für die Sache der Freiheit getan? Aber tief drinnen in deiner schniefenden kleinen Seele
hast du sie immer als überlegen empfunden, nicht wahr, die Protestanten hoch zu Roß, mit ihrem vornehmen Zungenschlag und ihrem hochnäsigen Getue.
    Oliver St. John Gogarty war auch ein Trinity-Mann, und obwohl ich über ihn gearbeitet und jede Zeile von ihm gelesen hatte, deren ich habhaft werden konnte, weil ich dachte, ein wenig von seiner Begabung und seinem Stil würde auf mich abfärben, war alles für die Katz. Einmal zeigte ich meine Dissertation Stanley Garber, einem Lehrer an der McKee, und gestand ihm meine Hoffnungen. Er schüttelte den Kopf und sagte: Wissen Sie was, McCourt? Vergessen Sie Gogarty. Im Grunde Ihres Herzens werden Sie immer der kleine Hosenscheißer aus dem Armenviertel von Limerick bleiben. Zum Teufel noch mal, finden Sie heraus, wer Sie selbst sind. Steigen Sie aufs Kreuz, und leiden Sie selbst. Ersatz funktioniert nicht, Kollege.
    Wie können Sie so reden, Stanley? Das mit dem Kreuz. Sie sind doch Jude.
    Stimmt. Aber sehen Sie uns an. Wir haben versucht, uns den Gojim anzupassen. Wir wollten uns assimilieren, aber die haben uns nicht gelassen. Und was ist das Ende vom Lied? Reiberei, Mann, und Reiberei bringt Leute wie Marx und Freud und Einstein und Stanley Garber hervor. Gott sei Dank sind Sie nicht assimiliert, McCourt, und vergessen Sie Gogarty. Sie sind nicht Gogarty. Sie sind Sie selbst. Verstehen Sie? Wenn Sie in diesem Moment umfallen und Ihre Seele aushauchen, werden die Sterne trotzdem weiter ihre Bahnen ziehen, und Sie sind ein Stäubchen im All. Suchen Sie sich Ihren eigenen Weg, oder Sie landen irgendwann in einem Häuschen auf Staten Island und beten Ave-Marias mit irgendeiner Maureen.
    Ich konnte nicht darüber nachdenken, weil vor meinen Augen eine Frau, die ich kannte, die imposante zentrale Treppe der Queen Elizabeth herabstieg. Sie sah mich und meinte, wir sollten ein Glas miteinander trinken. Ich erinnerte mich, daß sie eine Privatkrankenschwester für reiche New Yorker war, und
fragte mich, was sie sonst noch sein mochte. Sie sagte, sie sei sehr enttäuscht, weil ihre Freundin im letzten Moment ihre Reisepläne geändert habe, und jetzt sitze sie, die Schwester, allein in einer Erster-Klasse-Kabine mit zwei Betten und der Aussicht auf fünf einsame Reisetage. Der Drink löste meine Zunge, und ich erzählte ihr von meiner

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