Tag und Nacht und auch im Sommer
Süße da, die kennt keine Gnade.
Warum stellte ich mich nicht auf die Hinterbeine? Sollte ich vielleicht mit diesem schnatternden Fettkloß am Arm zum ersten Mal im Leben durch die Tore des Trinity College schreiten?
Ich sollte, und ich tat es.
Den ganzen Weg die Grafton Street hinunter quatschte sie jeden an, der uns auch nur kurz musterte, na, was ist? Habt ihr noch nie einen Yank gesehen?, bis eine Frau mit einem Tuch um die Schultern ihr entgegnete: Doch, haben wir schon, aber noch nie einen, der so tief gesunken ist, daß er sich mit einer wie dir abgeben muß. Mary kreischte, wenn sie nicht was Wichtigeres vorhätte, würde sie der Tuchtante die Augen auskratzen.
Die Vorstellung, durchs Trinity-Tor zu gehen, machte mich
nervös. Der Uniformierte würde bestimmte fragen, was ich hier zu suchen hätte, aber er beachtete uns gar nicht, nicht einmal, als Mary sagte, einen wunderschönen guten Abend, mein Bester.
Da stand ich nun endlich auf dem Kopfsteinpflaster, innerhalb des Tors, und traute mich keinen Schritt weiter. Oliver Goldsmith war hier gegangen. Jonathan Swift war hier gegangen. All die reichen Protestanten aus allen Jahrhunderten waren hier gegangen. Ich hatte es durch das Tor geschafft, und das genügte mir.
Mary zog mich am Arm. Es wird dunkel. Willst du den ganzen Abend hier rumstehen? Komm, ich kipp noch um, wenn ich nicht bald einen Sherry kriege. Und hinterher gehen wir auf mein hübsches kleines Zimmer, und wer weiß, was dann noch alles passiert, wer weiß. Sie kicherte und zog mich an ihren ausladenden, weichen, wabbelnden Körper, und ich hätte am liebsten ganz Dublin mitgeteilt, nein, nein, die gehört nicht zu mir.
Wir gingen die Nassau Street entlang, und sie blieb vor dem Yates-Laden an der Ecke stehen, um den Schmuck in der Auslage zu bewundern. Wunderschön, sagte sie. Wunderschön. Ach, der Tag wird kommen, an dem ich einen von diesen Ringen am Finger trage.
Sie ließ meinen Arm los und zeigte auf einen Ring im Schaufenster, und da rannte ich los. Die ganze Nassau Street zurück rannte ich und hörte nur von fern, wie sie kreischte, ich sei ein dreckiger Limerick-Windhund von einem Yank.
Am nächsten Tag ging ich wieder ins Bewley’s und entschuldigte mich bei ihr für mein Benehmen. Sie sagte, schon gut. Man weiß nie, was einem nach ein paar Sherrys oder Bierchen so alles einfällt. Sie sagte, um sechs habe sie Feierabend, und wenn ich möchte, könnten wir irgendwo Fisch mit Pommes essen und hinterher in ihrem Zimmer Tee trinken. Nach dem Tee meinte sie, so spät könnte ich wohl nicht mehr in mein Hotel in der Nähe der Grafton Street zurück, und von ihr aus könne ich gern dableiben und morgen früh mit ihr den Bus nehmen. Sie
suchte das Etagenklo auf, und ich zog mich bis auf die Unterwäsche aus. Sie kam in einem wallenden Nachthemd zurück. Sie kniete vor dem Bett nieder, bekreuzigte sich und bat Gott, sie vor jeglicher Unbill zu bewahren. Sie sagte Gott, es sei ihr bewußt, daß sie sich in Versuchung begebe, aber der da in ihrem Bett sei ja gewiß ein unschuldiger Knabe.
Sie wälzte sich ins Bett und quetschte mich gegen die Wand, und als ich ihr das Nachthemd hochstreifen wollte, schlug sie mir auf die Finger. Sie sagte, sie wolle nicht dafür verantwortlich sein, daß ich meine Seele verlöre, aber wenn ich vor dem Einschlafen ein Bußgebet spräche, wäre ihr wohler. Während ich betete, zog sie sich unter der Bettdecke das Nachthemd aus und drückte mich an sich. Sie flüsterte mir zu, das Gebet müsse ich später beenden, und ich sagte, klar, mach ich, versprochen, während ich mich in den gewaltigen Speckberg ihres Körpers hineinwühlte und meine Buße vollendete.
Damals war ich zweiundzwanzig, und jetzt, mit achtunddreißig, bewarb ich mich am Trinity College. Sie schrieben zurück, ja, sie würden meine Bewerbung in Erwägung ziehen, vorausgesetzt, ich legte noch in Amerika den GRE-Eignungstest ab. Ich tat es und setzte mich und meine Umwelt in höchstes Erstaunen, weil ich in Englisch neunundneunzig von hundert möglichen Punkten erreichte. Das bedeutete, daß ich mich durchaus mit den klügsten Köpfen aus ganz Amerika messen konnte, und der Gedanke gab mir solchen Auftrieb, daß ich in Gage and Tollner’s Restaurant in Brooklyn ging, mir Seebarsch mit gebackener Kartoffel leistete und so viel Wein trank, daß ich hinterher nicht mehr wußte, wie ich nach Hause gekommen war. Alberta übte Nachsicht und hielt mir am Morgen danach keine Standpauke,
Weitere Kostenlose Bücher