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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Versprechen abnahmen, nie wieder zu sündigen, um den armen Jesus nicht zu kränken, der da oben am Kreuz für meine Sünden Qualen litt. Jetzt wollten Alberta und der Psychoheini, daß ich wieder alles ausplauderte. Nein.
    Sie sagte, sie habe es satt, sich ständig Geschichten über meine ach so unglückliche katholische Kindheit anzuhören. Ich konnte es ihr nicht verdenken. Ich hatte meine unglückliche Kindheit genauso satt, hatte genug davon, daß sie mir über den Atlantik gefolgt war und ständig darum bettelte, bekanntgemacht zu werden. Alberta sagte, wenn ich meine Therapie nicht fortsetzte, würde ich in ernste Schwierigkeiten geraten.
    Therapie? Wieso Therapie?
    Die machst du doch schon, und wenn du nicht dabeibleibst, ist diese Ehe am Ende.
    Das war verlockend. Wenn ich wieder ledig wäre, könnte ich mich frei in Manhattan bewegen. Ich hätte sagen können, also gut, dann ist die Ehe zu Ende, aber ich ließ es sein. Selbst wenn ich frei wäre, welche Frau, die ihre fünf Sinne beisammen hat, hätte mich genommen, einen haltlosen, ungehobelten Pädagogen, der einem Jeeves in der East Ninety-sixth Street sein Leben erzählte? Ich dachte an das irische Sprichwort »Zwist ist besser als Einsamkeit« und blieb.
    Die Leute in der Gruppe sagten schockierende Sachen. Es war die Rede von Sex mit Vätern, Müttern, Brüdern, Schwestern, Onkeln auf Besuch, der Frau eines Rabbiners, einem Irish Setter, Sex mit einem Glas Hühnerleber, Sex mit einem Mann, der den Kühlschrank reparieren kam, tagelang blieb und seine Kleider so lange auf dem Küchenfußboden liegen ließ. Das waren
Sachen, die man höchstens einem Priester anvertrauen würde, aber diese Gruppenleute hatten keine Hemmungen, ihre Geheimnisse vor versammelter Mannschaft auszubreiten. Ich wußte einiges über Sex. Ich hatte das Kamasutra gelesen, Lady Chatterley und de Sades Die hundertzwanzig Tage von Sodom , aber das waren nur Bücher, der Phantasie ihrer Autoren entsprungen, dachte ich. D. H. Lawrence und der Marquis höchstselbst wären schockiert gewesen, hätten sie in dieser Gruppe gesessen.
    Wir saßen im Halbkreis, uns gegenüber Henry, der eifrig in sein Notizbuch kritzelte und gelegentlich nickte. Eines Tages trat dann Stille ein, als ein Mann erzählte, daß er immer zur Messe gehe und die Hostie mit nach Hause nehme, um auf sie zu masturbieren. Er sagte, das sei seine Art, sich von der römisch-katholischen Kirche zu lösen, und dieser Akt sei so aufregend, daß er ihn oft nur zum Vergnügen wiederhole. Er sei sich bewußt, daß ihm kein Priester auf der Welt die Absolution für diese ungeheuerliche Lästerung erteilen würde.
    Das war meine vierte Sitzung mit dieser Gruppe, und ich hatte noch kein Wort gesagt. In diesem Moment wäre ich am liebsten aufgestanden und gegangen. Mit meinem katholischen Glauben war es nicht mehr weit her, aber ich hätte nie daran gedacht, eine Hostie zu meiner sexuellen Befriedigung zu benutzen. Warum trat dieser Mensch nicht einfach aus der Kirche aus und damit basta?
    Henry sah mir an, was ich dachte. Er hörte auf zu kritzeln und fragte mich, ob ich etwas zu diesem Mann sagen wolle, und ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoß. Ich schüttelte den Kopf. Eine Rothaarige sagte, ach, komm schon. Du warst jetzt schon viermal hier und hast noch kein Wort gesagt. Sollen wir uns hier bloßstellen, damit du dich jedesmal still und heimlich davonmachen und unsere Geheimnisse deinen Freunden in der Kneipe erzählen kannst?
    Der Mann mit der Hostiengeschichte sagte, genau, ich stell
mich hier an den Pranger, Kumpel, und deshalb möchten wir auch mal was von dir hören. Was denkst du dir eigentlich? Daß du hier auf deinem Hintern sitzen kannst, und wir machen die ganze Arbeit?
    Henry fragte Irma, die junge Frau links von mir, wie sie über mich denke, und ich war überrascht, als sie mir daraufhin die Schulter massierte und sagte, sie spüre Kraft. Sie sagte, sie wäre gern Schülerin in meiner Klasse, ich müsse ein guter Lehrer sein.
    Hast du das gehört, Frank? fragte Henry. Kraft.
    Alle warteten darauf, daß ich etwas sagte. Ich fand es nur recht und billig, auch etwas beizusteuern. Ich hab mal in Deutschland mit einer Prostituierten geschlafen, sagte ich.
    Na ja, sagte die Rothaarige. Aber wenigstens zeigt er guten Willen.
    Ja, toll, sagte der Hostienmann.
    Erzähl uns davon, sagte Irma.
    Ich war mit ihr im Bett.
    Und? fragte die Rothaarige.
    Nichts weiter. Ich bin mit ihr ins Bett gegangen. Ich hab ihr

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