Tag und Nacht und auch im Sommer
vier Mark gezahlt.
Henry rettete mich. Die Zeit ist um. Bis nächste Woche.
Ich ging nicht mehr hin. Ich dachte, vielleicht würde er anrufen, um sich zu erkundigen, warum ich aufgehört hatte, aber Alberta sagte, das dürfen die nicht. Man muß selbst eine Entscheidung treffen, und wenn man nicht mehr hingeht, heißt das, daß man kränker ist denn je. Sie sagte, ein Therapeut könne nicht zaubern, und wenn ich meine seelische Gesundheit aufs Spiel setzen wolle, tja, dein Blut komme über dich.
Was?
Das ist aus der Bibel.
Ich komme aus dem Büro von Professor Walton, dem Dekan der anglistischen Fakultät am Trinity College. Er sagte, ja, durchaus,
zu meiner Bewerbung um Zulassung zur Promotion, und ja, durchaus, zu meinem Thema, »Irisch-amerikanische literarische Beziehungen, 1889–1911«. Warum ausgerechnet diese Zeitspanne? 1889 veröffentlichte William Butler Yeats seinen ersten Gedichtband, und 1911 wurden in Philadelphia die Darsteller des Abbey Theater nach einer Aufführung von Der Held der westlichen Welt mit Gegenständen beworfen. Professor Walton sagte, interessant. Mein Doktorvater werde Professor Brendan Kenneally sein, sagte er, ein vorzüglicher junger Dichter und Gelehrter aus der Grafschaft Kerry. Jetzt war es amtlich: Ich war ein Trinity-Mann, ein Erhabener, wandelnd in marmornen Hallen. Ich versuchte, durchs Vordertor hinauszugehen wie einer, der es gewohnt ist, durch dieses Tor hinauszugehen. Ich ging ganz langsam, damit die amerikanischen Touristen mich bemerkten. Zu Hause in Minneapolis würden sie ihren Leuten erzählen, sie hätten einen leibhaftigen nonchalanten Trinity-Mann gesehen.
Wird man am Trinity College zur Promotion zugelassen, kann man dieses Ereignis auch feiern, indem man die Grafton Street entlang zu McDaid’s Pub geht, in dem man vor langer Zeit einmal mit Mary aus Bewley’s Café gesessen hat. Ein Mann an der Bar sagte, aus Amerika rübergekommen, was? Woran er das sehe. An der Kleidung. Einen Yank erkennt man immer an der Kleidung, sagte er. Ich fand ihn nett und erzählte ihm vom Trinity, meinem wahr gewordenen Traum. Sofort wurde er feindselig. Jaysus, is das ’n trauriger Scheißtag, wenn einer nach Dublin kommen muß, um auf so eine Scheißuniversität zu gehen. Die haben die doch massenweise in Amerika, oder isses so, daß die dich nicht haben wollen, und bist du Protestant oder so was?
Sollte das ein Witz sein? Ich würde mich an die Art der Dubliner Männer erst noch gewöhnen müssen.
Mir dämmerte, daß ich ein Außenseiter war, ein Ausländer, ein zurückgekehrter Yank und zu allem Übel aus Limerick. Ich
hatte gedacht, ich würde als siegreicher Held wiederkommen, ein in die Heimat zurückgekehrter Yank mit College-Abschlüssen, Bachelor und Master, ein Mann, der fast zehn Jahre an den High Schools von New York überlebt hatte. Ich nahm irrtümlich an, ich würde in die Nestwärme der Dubliner Pubs passen. Ich dachte, ich würde mich in einem so hochgeistigen literarischen Kreis bewegen, daß amerikanische Gelehrte, die an seiner Peripherie entlangstreiften, jedes meiner Bonmots an die Akademiker zu Hause weitergäben, die mich dann einladen würden, vor den unwiderstehlichen Studentinnen am Vassar und am Sarah Lawrence Vorträge über die literarische Szene in Irland zu halten.
Es sollte nicht sein. Sofern es hier einen Kreis gab, gehörte ich jedenfalls nie dazu. Ich streifte nur die Peripherie.
Ich blieb zwei Jahre in Dublin. Meine erste Adresse war Seaview Terrace nicht weit von der Ailesbury Road, wo Anthony Trollope gewohnt hatte, als er als berittener Postinspektor Irland durchstreifte und jeden Morgen dreitausend Wörter schrieb. Meine Vermieterin vertraute mir an, sein Geist gehe hier immer noch um, und sie sei überzeugt, daß in den Mauern dieses alten Hauses das Manuskript eines bedeutenden Romans versteckt sei. Daß der Geist von Mr. Trollope in der Tat hier residierte, merkte ich daran, daß das Fett um meine Spiegeleier mit Speck plötzlich gerann, wenn er seine mitternächtliche Runde machte. Ich suchte das ganze Zimmer nach dem Manuskript ab, bis sich die Nachbarn darüber beschwerten, daß ich zu jeder Tages- und Nachtstunde die Wände abklopfte.
Ich scheiterte in Dublin. Ich begann jeden Tag mit den besten Vorsätzen. Ich trank meinen Morgenkaffee im Bewley’s und arbeitete in der Nationalbibliothek oder der Bibliothek des Trinity College. Mittags sagte ich mir, ich sei hungrig, und schlenderte auf ein Sandwich in ein
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