Tag und Nacht und auch im Sommer
mich an der Modeschule gefeuert hatte. Ich fragte ihn, verfolgen Sie mich?, und sein verkniffener Mund verriet mir, daß meine Tage abermals gezählt waren.
Ein paar Wochen danach besiegelte ich mein Schicksal. In Anwesenheit anderer Lehrer fragte mich der Rektor, nun, Mr. McCourt, sind Sie denn schon Vater geworden?
Nein, noch nicht.
Und, was wäre Ihnen lieber, ein Junge oder ein Mädchen?
Ach, das ist mir gleich.
Hauptsache, es wird kein Neutrum, sagte er.
Wenn doch, dann erziehe ich es so, daß es später mal Rektor wird.
Der Brief, in dem stand, daß man mich »freistellen« müsse, ließ nicht lange auf sich warten. Unterzeichnet war er von Konrektor (geschäftsführend) Mitchel B. Schulich.
Ein Versager auf der ganzen Linie, war ich nach wie vor auf der Suche nach meinem Platz in dieser Welt. Als ambulanter Aushilfslehrer zog ich von einer Schule zur anderen. High Schools heuerten mich tageweise als Vertretung für erkrankte Lehrer an. Manche brauchten mich auch, wenn ein Lehrer längere Zeit bei Gericht als Geschworener Dienst tun mußte. Ich unterrichtete nicht nur Englisch, sondern jedes Fach, für das gerade ein Lehrer fehlte: Biologie, Kunsterziehung, Physik, Geschichte, Mathematik. Aushilfslehrer wie ich schwebten irgendwo an den Rändern der Realität. Täglich fragte mich jemand, und wer sind Sie heute?
Mrs. Katz.
Aha.
Und das war ich tatsächlich: Mrs. Katz oder Mr. Gordon oder Ms. Newman. Ich selbst war ich nie. Ich war immer Aha.
Im Klassenzimmer hatte ich null Autorität. Manchmal sagten mir Konrektoren, was ich zu unterrichten hätte, aber die Schüler paßten nicht auf, und ich konnte nichts tun. Diej enigen, die überhaupt zum Unterricht erschienen, ignorierten mich und schwätzten, baten um den Paß, legten den Kopf auf den Tisch und dösten, ließen Papierflieger fliegen, lernten für andere Fächer.
Ich entdeckte, wie ich verhindern konnte, daß sie überhaupt erschienen: Wenn man ein leeres Klassenzimmer haben will, muß man sich einfach nur vor die Tür stellen und grimmig dreinschauen. Dann halten sie einen für fies und suchen ihr Heil in der Flucht. Nur die Chinesen kamen immer. Offenbar schärften die Eltern ihnen ein, daß sie nicht schwänzen durften. Sie setzten sich in die hinteren Reihen, lernten und ignorierten hartnäckig meine zarten Andeutungen, daß auch sie verschwinden könnten. Rektoren und ihre Assistenten wurden unwirsch, wenn sie mich im fast leeren Klassenzimmer am Pult sitzen und die Zeitung oder ein Buch lesen sahen. Sie meinten, ich solle doch unterrichten. Dafür hätte man mich schließlich geholt.
Würde ich ja gerne, sagte ich, aber das hier wäre eigentlich eine Physikstunde, und ich hab nur die Lehrerlaubnis für Englisch. Sie wußten, wie albern die Frage war, aber sie waren Vorgesetzte und mußten sie stellen: Wo sind die Schüler? Jeder, in jeder Schule, kannte die Regel: Wenn du einen Aushilfslehrer siehst, Baby, dann nichts wie weg.
TEIL III
Neues Leben in Raum 205
12
E in Jahr nach meiner Rückkehr aus Dublin machte mich unsere alte Freundin R’lene Dahlberg mit Roger Goodman bekannt, dem Leiter des Fachbereichs Englisch an der Stuyvesant High School. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, etwa einen Monat lang vertretungsweise den Unterricht von Joe Curran zu übernehmen, der sich von irgend etwas erholen mußte. Die Stuyvesant galt als die beste High School der Stadt, als das Harvard der High Schools, die Schule, auf die mehrere Nobelpreisträger sowie kein Geringerer als James Cagney gegangen sind, eine Schule, deren Absolventen und Absolventinnen die besten Universitäten des Landes offenstanden. Dreizehntausend Bewerber unterzogen sich Jahr für Jahr der Stuyvesant-Aufnahmeprüfung, und die Schule schöpfte die besten siebenhundert ab.
Jetzt unterrichtete ich dort, wo ich niemals einer der siebenhundert gewesen wäre.
Als Joe Curran nach ein paar Monaten wiederhergestellt war, bot Roger Goodman mir eine Dauerstellung an. Ich sei bei den Schülern beliebt, sagte er, ein vitaler, mitreißender Lehrer und eindeutig ein Gewinn für seinen Fachbereich. Das Lob war mir peinlich, aber ich sagte ja und danke. Ich nahm mir fest vor, nur zwei Jahre zu bleiben. In der ganzen Stadt rissen sich die Lehrer darum, an der Stuyvesant zu unterrichten, aber ich wollte in die Welt hinaus. Am Ende eines Schultages hat man den Kopf voll mit lärmenden Teenagern, ihren Sorgen, ihren Träumen. Sie verfolgen einen bis zum Abendessen, ins Kino,
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