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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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was Jane tun kann? Oder Clare?« Mir war klar, dass ich wie ein bockiges Kind klang, was angesichts der angespannten Beziehung zwischen uns keine gute Idee war. Unsere Pose auf dem Gras, als wir Gänseblümchenketten flochten, hatte auf ihrem Hosenanzug einen Grasfleck hinterlassen. Um genau zu sein, an der linken Pobacke. Der Fleck hatte nur die Größe eines Daumennagels, aber in diesem Fall spielte die Größe keine Rolle. Ich weiß nicht einmal, ob sie es bemerkt hatte. Vielleicht hatte sie aber auch die Wahrheit gesagt, als sie früher immer behauptete, sie hätte hinten Augen. Bei meiner Mutter konnte man nie wissen.
    »Grace, darum geht es ja wohl kaum«, raunzte sie mich an, als ich ihr versicherte, dass man ihn nur aus unmittelbarer Nähe sehen könnte und auch nur dann, wenn man sich auf ihren Hintern konzentrierte.
    Jane hatte zufällig einen Fleckenentferner in ihrer Handtasche und rettete den Tag.
    »Jede Wette, dass du auch Briefmarken da drin hast«, sagte ich zu Jane, nachdem ich Mams Hose mit dem Zaubermittel entfärbt hatte, »und Taschentücher.«
    »Ja, klar. Brauchst du etwas?«

    Und das war der Grund, warum Jane so wunderbar war. Falls sie den kaum verhüllten Sarkasmus in meiner Stimme wahrgenommen hatte, ließ sie sich nichts anmerken. Sie mied Gereiztheit wie eine kleine Maus die örtliche Katzenhilfe. Meine Mutter tat das natürlich nicht.
    »Nur weil Jane organisiert ist, heißt das noch lange nicht, dass du dich darüber lustig machen kannst. Vielmehr könntest du dir an ihr ein Beispiel nehmen«, fuhr sie fort, sie war jetzt in Fahrt. In dem Wissen, dass wir auf die Rede mit dem Motto »Ordnung ist das halbe Leben« zusteuerten, nahm ich Ella auf den Arm.
    »Ich geh besser und wechsle ihr die Windel«, sagte ich und wollte gerade verschwinden.
    »Sie trägt keine Windeln mehr«, erklärte Jane stolz.
    »Sie trägt seit mehr als einem Jahr keine mehr«, fügte meine Mutter trocken hinzu.
    »Nun, vielleicht muss sie dann ja auf die Toilette.« Ich presste Ella, die versuchte sich aus meinem Griff herauszuwinden, noch immer an mich.
    »Ja«, rief Ella plötzlich. »Ich muss Nummer zwei machen.« Sie drehte sich zu ihrer Mutter. »Ist Nummer zwei Kacka, Mami?«
    Scheiße. Jetzt musste ich sie mitnehmen und ihr den Hintern abputzen.
    »Hier.« Jane reichte mir einen Stapel Papiertaschentücher. »Die brauchst du vielleicht doch noch.«
    Jetzt beschlossen Thomas und Matthew, dass auch sie gehen mussten, aber glücklicherweise waren sie alt genug, um sich ihre Hintern selbst abzuwischen – das dachte ich wenigstens. Am Ende benutzte ich alle Taschentücher, die Jane mir gegeben hatte. Jedes einzelne von diesen verdammten Dingern.
    Ich tat, als würde ich in den Garten gehen, doch als es
mir gelungen war, Mams Argusaugen zu entrinnen, machte ich kehrt und ging zur Bar.
    Dort stand auch Shane herum, der noch immer von der Cousinenschar umzingelt war. Ich konnte mich kaum an ihre Namen erinnern. Es waren die Kids von Dads Brüdern und Schwestern. Für gewöhnlich trafen wir sie bei Hochzeiten und Beerdigungen, und wir hatten sie bei der Messe zu Dads zehnjährigem Todestag gesehen. Jeder hatte die Messe damit zugebracht, den Kopf zu schütteln und gebetsmühlenartig zu wiederholen: »Zehn Jahre, ich kann nicht glauben, dass es schon zehn Jahre sind.« Selbst ich sagte es nach einer Weile. Auf Mams Seite gab es keine Cousins und Cousinen, sie war ein Einzelkind.
    Ich ging schnurstracks auf die Bar zu und bestellte eine extragroße Packung Tayto Chips Geschmacksrichtung Cheese & Onion. Sie hatten die extragroße Packung nicht, weswegen ich zwei normale Packungen nahm.
    »Hast du vor, das alles zu essen?« Shane erschien neben meinem Ellbogen und beäugte voller Abscheu die Chips.
    »Ja«, sagte ich knapp, öffnete eine der Packungen und schob mir eine Handvoll Chips in den Mund. Ich konnte sehen, wie sich seine Lippen bewegten, konnte aber nicht hören, was er sagte, da die Kaugeräusche in meinem Kopf ihn übertönten. Das war nett, denn er war so schön anzuschauen, selbst wenn er verärgert war, was er im Augenblick war. Ich konnte einige der Worte ausmachen: Diät … Kalorien … Kohlehydrate … zu deinem eigenen Besten … Gewicht. Nichts, was ich wirklich hören wollte. Sobald ich fertig war, schob ich meine Hand wieder in die Packung und stopfte mir eine weitere Handvoll in den Mund. Als die erste Tüte leer war – das dauerte weniger als drei Minuten -, öffnete ich die zweite und begann

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