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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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gestolpert bin, und das ist es wohl: Es sind die einfachen Dinge des Lebens, Gracie, die einfachen Dinge.
    Mehr Weisheiten von deinem Bruder dann in der nächsten Episode (die, wie ich glaube, aus Italien kommen wird).
     
    Alles Liebe,
Patrick
XX

15
    Ich hüllte mich wie immer, wenn ich meine Mutter besuchte, in ein Feuerwerk aus Farben. Orange, rosa, rot. Für ein rothaariges Kind waren im Irland der späten 70er und frühen 80er Jahre diese Farben verboten. Stattdessen wurden Patrick und ich von meiner Mutter in jede nur irgend mögliche Art von Grün- und Brauntönen gekleidet.
    Die Leute lachten für gewöhnlich, tätschelten mir den Kopf – das war vor meinem Wachstumsschub im Jahr 1988 – und nannten mich ein »richtiges irisches Mädchen«. Patrick nannten sie einen »richtigen irischen Jungen« und bohrten ihre Finger in seine Grübchen, wenn er lachte, was er oft tat.
    Während dieser höchst beschämenden fünfzehn Jahre stand ich bei der Modepolizei ganz oben auf der Most-Wanted-Liste und wurde von meinen Altersgenossen ausgelacht, die Dinge sangen wie:
    Hat man dich letzte Nacht im Regen stehen lassen? (wegen meiner rostfarbenen Haare)
    Duracell-Deckel (Das habe ich nie wirklich kapiert: Hätten meine Haare die Farbe der Oberseite einer Duracell-Batterie gehabt – eine Art Goldblond – wäre ich begeistert gewesen.)
    Freckle-Freak (Das hatte sich Donal Murphy aus der fünften Klasse wegen meiner Sommersprossen ausgedacht, Donald, dessen Gesicht von einem dunklen violetten
Feuermal verschandelt war, das die Form von Italien hatte und von seiner Stirn bis zum Kinnvorsprung lief. Um es ihm heimzuzahlen, nannte ich ihn »Elefantenmann«, was, wie ich jetzt einräume, gemein, aber damals ausgesprochen befriedigend war, vor allem wenn ich ihn damit zum Weinen brachte.)
    Karotte, Rotschopf, Milchflaschendeckel (Das war vor der Tetrapak-Ära.)
    Nach meiner Firmung wurde alles besser. Ich bekam 150 Pfund (und man erinnere sich, das war das alte irische Pfund, und zwar zu einer Zeit, in der man zehn Zigaretten, eine Schachtel Streichhölzer und eine Packung Polo Mints für weniger als ein Pfund bekam und noch genug übrig hatte, um zwei kleine rosafarbene Kokosmakronen und vier Haribo Fizzy-Cola-Flaschen zu kaufen). Nachdem mir befohlen worden war, meine Beute zwei Jahre lang bei der Postbank zu horten (das brachte bescheidene 2,54 Pfund an Zinsen), wurde mir endlich erlaubt, ohne meine Mutter in die Stadt zu gehen, wo ich die faszinierende Welt der Jeans von Gap, A-Wear und O’Connors kennenlernte und mir außerdem des Spektrums an Farben bewusst wurde, in dem Kleider erhältlich waren. Wie dem auch sei, ich schweife schon wieder ab.
    Ich kam um 18 Uhr 45 in Raheny an, und nachdem ich eine Flasche Wein (ich wusste, dass keiner im Haus sein würde) und ein paar welkende Blumen an der örtlichen Tankstelle besorgt hatte, parkte ich um 18 Uhr 57 vor dem Haus meiner Mutter. Meine Mutter hasste Verspätungen, und ich hasste es, wenn meine Mutter an mir etwas hasste.
    Ich saß eine Weile im Auto und rauchte die letzte Zigarette, die ich bekommen würde, bis ich wieder ging. Mam hasste Rauchen / Raucher / Rauch und so weiter, und obwohl
sie wusste, dass ich rauchte, hatte sie keine Ahnung vom Ausmaß meiner Sucht und wäre über mein Pensum, etwa zwanzig Zigaretten am Tag, entsetzt gewesen. Durch den Schleier aus Zigarettenrauch schaute ich zu dem Haus, in dem ich die ersten zweiundzwanzig Jahre meines Lebens verbracht hatte.
    Es war nichts Besonderes. Ein gewöhnliches Doppelhaus mit vier Schlafzimmern und dem obligatorischen Dachgeschossausbau, einem Wintergarten, einer Garage, die immer der Ausgangspunkt großer Pläne war, aber eine Garage blieb und nicht etwa, wie meine Eltern im Laufe der Jahre überlegten, zu einem Spielzimmer / Hobbyraum / Arbeitszimmer / Meditationsraum / Billardzimmer umgebaut wurde. Der Garten wirkte vernachlässigt. Das Gras hätte gemäht werden müssen, und das Unkraut, das niemals gewagt hätte hervorzusprießen, solange Patrick in der Gegend war, wucherte nun über den ganzen Rasen und bewegte sich Zentimeter für Zentimeter durch das kleine Beet, das den Rand zur Auffahrt säumte.
    Patrick hatte seine Rolle als der Mann in der Familie ernst genommen und sich jedes Wochenende freigehalten, um »Sachen zu regeln«. So nannte er es. In erster Linie war der Garten gemeint. Und unsere Autos, die wir vor dem Haus aufreihten. Und manchmal die Autos unserer Freunde. Er war eben ein

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