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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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bei mir, wobei ich von dieser Idee selbst überrascht war, »das nächste Mal verhandle ich«. Unfähig etwas dagegen zu tun, lächelte ich, ein großes breites Lächeln, das sich über mein ganzes Gesicht zog. Ich hob mein Glas.
    »Ein Toast«, rief ich. »Auf die schönen Dinge, die an einem Montag geschehen können.« Alle stießen mit ihren Gläsern an und riefen viel zu laut: »Auf Grace.« Es war ein großer Augenblick.
    Mein Telefon klingelte. Ich erkannte die Festnetznummer
meiner Mutter und bemühte mich, nüchtern zu klingen, was nach mehreren Gläsern Prosecco eine heikle Angelegenheit war, insbesondere an einem Montag.
    »Mam, hallo!« Ich versuchte, deutlich zu reden. »Mir ist heute etwas Fantastisches passiert. Ich dachte, der Chef würde mich entlassen, aber -«
    »Dich entlassen?«, unterbrach mich meine Mutter.
    »Nein, nein, warte, Mam, ich wurde nicht entlassen, ich wurde befördert.« Aus alter Gewohnheit hielt ich den Atem an und drückte mir die Daumen.
    »Grace, du redest Unsinn.« Ich konnte ihre Ungeduld heraushören und verfluchte mich für meine mangelhafte Zungenfertigkeit. Dann versuchte ich es noch einmal.
    »Mam, ich wurde heute befördert.« Ich konnte ihre Antwort zwar kaum erwarten, war aber gleichzeitig auch nervös davor.
    »Befördert?« Jetzt zögerte sie. »Das ist schön, meine Liebe. Ich dachte, du wärst entlassen worden.« Nun lachte sie, und ich wünschte mir, was ich mir so oft wünschte, nämlich dass Dad noch leben würde. Er wäre so stolz auf mich gewesen, viel stolzer, als ich es jemals verdient hätte.
    »Bist du schon wieder im Pub, Grace?« Meine Mutter war wieder auf ihrem üblichen Kurs, ihre Missbilligung strömte knisternd durch die Telefondrähte.
    »Ich bin gerade am Gehen. Zur Feier des Tages haben wir ein Glas Wein getrunken.« Ich sprach mit gedämpfter Stimme, um nicht Normans Gelächter heraufzubeschwören. Allerdings war der damit beschäftigt, Caroline dazu zu überreden, mit ihm ins Bett zu gehen, wenn auch nur, um Harold, unseren schwulen Bilanzbuchhalter, davon zu überzeugen, dass er selbst heterosexuell war.
    »Du würdest mir einen Gefallen tun, Caroline«, bettelte Norman. »Betrachte es einfach als soziales Engagement.«

    »Mam, ich muss jetzt aufhören, hast du aus einem bestimmten Grund angerufen?« Ich war erpicht darauf, sie aus der Leitung zu bekommen.
    »Genau genommen wollte ich fragen, ob du morgen zum Abendessen herüberkommen kannst. Es gibt da etwas, was ich mit dir bereden will.« Meine Mutter klang nervös, und es tat mir leid für sie. Es war für eine Mutter sicher nicht einfach, ihrer neunundzwanzigjährigen Tochter den brandneuen, über sechzigjährigen Freund vorzustellen. Heute Abend konnte ich mir großzügige Gesten leisten.
    »Wunderbar, Mam. Um wie viel Uhr?«
    »Sieben Uhr.« Und wie immer fügte sie hinzu: »Sei pünktlich, Grace.« Ich murmelte einen Abschiedsgruß und legte auf. Heute war ein Tag der Überraschungen. Dabei fiel mir Bernard ein, der im Flugzeug nach Donegal saß.
    »Ich fahre nach Hause«, hatte er leise gesagt. Was dort wohl los war? Als er es sagte, hatte er bedrückt geklungen.
    Ich fragte mich, was Patrick zu meiner Beförderung gesagt hätte, und erinnerte mich an die Trauermesse vor knapp einem Jahr. Es ist fast noch schlimmer, wenn ein Jahr vorbei ist und man feststellt, dass die Zeit trotz allem nicht stehengeblieben und das Leben weitergegangen ist.
    »An was denkst du, Grace?« Carolines Stimme drang zu mir durch.
    »Ach, ich hab gerade an Shane gedacht und dass er am Freitag heimkommt«, stammelte ich. Mir war bei der Lüge nicht wohl. Ich fühlte mich beklommen, wenn ich an Shane dachte. Er sah so toll aus. Er war so witzig und charmant. Manchmal fragte ich mich, was er an mir fand. Manchmal fragte ich mich, ob er wegen Patrick länger bei mir geblieben war, als er vorgehabt hatte. Ich hatte mich Clare anvertraut, die laut Familiengesetz dazu verpflichtet war, meine
Zweifel und Ängste als Unsinn abzutun und mir zu sagen, dass ich fantastisch sei.
    »Mehr Prosecco«, verlangte Ethan mit lauter Stimme, was verriet, das er bereits mehr als genug gehabt hatte. Wir klatschten und johlten, als er sich auf den Weg zur Theke machte, und sahen besorgt zu, wie er schwerfällig seinen Geldbeutel aus der Innentasche seines Jacketts zog und versuchte, einen Geldschein herauszuziehen.
    Norman langweilte Caroline, indem er zu erraten versuchte, mit wie vielen Männern sie bisher Sex hatte.
    »Ich tippe

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