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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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Bedürfnis, mich umzudrehen und ihm mit den Fingern auf die Nase zu schnipsen (eine scheinbar spielerische Geste, die eigentlich ganz schön wehtut: perfekt in Situationen, in denen man entweder nicht die Zeit oder nicht die Lust zu einem richtigen Streit hat). Caroline hatte das Badezimmer freigegeben, und ich tastete mich durch die Dunstschwaden hinein. Mit geschlossener Faust wischte ich über den Spiegel, der über dem Waschbecken hing, türmte Zahnpasta auf meine Bürste und schrubbte, bis mir das Zahnfleisch blutete. Danach verwendete ich Zahnseide. Schließlich bürstete ich wieder. Ich drehte meine Bürste auf den Kopf und scheuerte mit der geriffelten Unterseite meine Zunge, bis ich jeglichen Geschmackssinn verloren hatte. Ich streckte sie heraus, um sie zu überprüfen. Sie war rot wie rohes Fleisch.
Blut sickerte aus den Spalten zwischen meinen Zähnen und verlieh mir das Aussehen eines gut genährten Vampirs. Ich kippte mir den Bodensatz meiner Listerine-Mundspülung in den Mund und fuhr zusammen, als es brannte. Schließlich machte ich bei meinen Händen weiter, schrubbte sie mit einer eingeseiften Nagelbürste, wobei ich den Fingern, mit denen ich die Zigarette gehalten hatte – Mittel- und Zeigefinger meiner linken Hand – besondere Aufmerksamkeit widmete. Eine Nagelhaut riss ein und begann zu bluten. Ein einziges Blutbad. Immerhin waren alle Spuren von Zigarettengeruch getilgt, auch wenn mein Gesicht von der dampfigen Hitze des Badezimmers nun rot wie eine Tomate war. Ich zählte bis zehn, benetzte mein Gesicht mit kaltem Wasser, zählte wieder bis zehn, widerstand dem Bedürfnis, den Schokoriegel, der hinten in meinem Kleiderschrank gebunkert war, aufzuessen, und versuchte, meine angespannten Schultern von meinen Ohren weg nach unten zu drücken. Dann ging ich zum Wohnzimmer zurück. Shane hatte sein Laptop verlassen und lag mit einer Flasche Bier auf der Couch. Er sah so aus, als würde er darüber nachdenken zu entspannen. Ich näherte mich ihm.
    Er seufzte. »Bist du desinfiziert?«
    Ich nickte, wartete.
    »Hast du vor, jemals wieder zu rauchen?«, fuhr er fort und hob seine Augenbrauen gen Himmel.
    Langsam schüttelte ich meinen Kopf, meine Finger kreuzte ich im Rücken. Ich hatte vor, wieder zu rauchen, aber nicht bevor er sicher verwahrt in der Maschine nach London sitzen würde.
    Gemächlich strich er sich über sein kantiges Kinn, doch ich konnte sehen, dass allmählich ein Lächeln seinen Mund umspielte. Er rückte zur Seite, und ich sprang neben ihm auf die Couch. Wäre ich nur kleiner gewesen, dann hätte
ich mich leicht in seine Armbeuge schmiegen können. Er hielt mir sein Gesicht entgegen, und ich küsste ihn. Sein Atem schmeckte nach abgestandenem Kaffee. Ich sagte nichts. Er entzog sich und schaute mich an.
    »Grace, im Ernst, wenn wir Pläne schmieden wollen, musst du die Raucherei aufgeben. Damit kann ich nicht leben.«
    »Wie sehen deine Pläne denn aus, Shane?« Er hatte sie zuerst erwähnt, also glaubte ich mich sicher, wenn ich danach fragte.
    Die Schlafzimmertür fiel krachend ins Schloss.
    »Wie sehe ich aus?« Caroline kam ins Zimmer geschossen, ein einziger Farbklecks. Sie wirbelte vor uns herum. Noch nie hatte ich sie so glücklich gesehen. Überflüssig zu sagen, dass sie eine absolute Traumfrau war. Obwohl sie verändert aussah: weniger streng, mädchenhafter. Und – ich war entsetzt, dies feststellen zu müssen – nervös. Caroline war nervös. Sie trug einen schwingenden knielangen Rock in Babyrosa mit einem blassgrünen, trägerlosen und dicht mit Perlen besetzten Top, das nichts der Fantasie überließ und die Zartheit ihrer vollkommen ebenmäßigen Schlüsselbeine unterstrich, die sich von der sanften Bräune ihrer Haut absetzten. Die Absätze ihrer Sandalen waren enorm hoch. Sandalen, in denen Alkohol und Fliesenböden strengstens untersagt waren. Nur dazu gut, um vom Auto zur Theke zu staksen. In diesen Dingern war es nicht drin, zu Fuß nach Hause zu laufen, weil man von einem Date enttäuscht war. Ihr Haar war hochgesteckt, was für Caroline untypisch war. Sie hatte es geflochten, am Hinterkopf zu einem Knoten geschlungen und mit zwei von diesen japanischen Stricknadeln hochgesteckt. Ihr Gesicht glich einer einzigen Make-up-Orgie. Ich musste sie ins Bad zurückschicken, gleich zweimal, um eine ganze Menge davon wieder abzuwischen.

    »Sehen meine Brüste darin schlaff aus?« Besorgt schob sie eine Hand unter das Top, um sie hochzuschieben.
    »Welche

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