Tag vor einem Jahr
Brüste?«, kicherte Shane.
Ich verpasste ihm eine auf die exakt richtige Stelle am Oberarm und brachte ihn damit augenblicklich zum Schweigen. Während er sich auf der Couch vor Schmerzen wand, wandte ich mich wieder Caroline zu.
»Deine Brüste sehen toll aus«, versicherte ich ihr. »Kess und federnd. Warum machst du dir deswegen Gedanken?«
»Ich trage keinen BH«, gab sie zu.
Das hatte es bei Caroline noch nie gegeben. Ich meine, sie brauchte nicht wirklich einen BH. Sie konnte mit einem kleinen Sport-BH davonkommen oder auch nur einem eng anliegenden Unterhemd. Aber sie trug seit ihrem elften Lebensjahr BHs. Ich setzte mich aufrecht auf die Couch und überging dabei Shanes Wimmern neben mir.
»Mein Gott, Caroline, was geht da vor sich? Erzähl mir von diesem Kerl. Sofort!«
Als Caroline zu sprechen anfing, war ihre Erleichterung spürbar. Sie hatte offensichtlich seit vergangenem Mittwoch, als sie ihn das erste Mal getroffen hatte, von ihrem Blind Date erzählen wollen. Ihr Gesicht leuchtete auf.
»Er ist einfach, ich weiß nicht, ich fühle mich so gelassen, wenn ich mit ihm zusammen bin. Er ist wirklich groß. Er wird toll aussehen, wenn ich seinen Kleiderschrank aussortiert habe. Davon abgesehen hat er diese, diese Aura um sich, es ist so entspannend, es ist, als würde ich in einem warmen Schaumbad liegen, wenn ich mich mit ihm unterhalte. Obwohl …« Caroline sah nun besorgt aus und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Sie hatte vergessen, dass sie sie hochgesteckt hatte. »Er spricht eigentlich nicht viel. Als ich über unsere Verabredung nachdachte, ist mir aufgefallen, dass er kaum ein Wort gesagt hat. Ich war es,
die die Unterhaltung bestritt. Und da bekam ich Angst, dass ich ihn vielleicht zu Tode gelangweilt habe. Denn er hat mir nie wirklich eine Rückmeldung oder so gegeben. Ich bin nicht zum Abschluss gekommen mit ihm.«
Wir warfen beide einen Blick auf Shane, den Geschäftsmann, der noch immer seinen Arm hielt. Er war der König der Abschlüsse, er sprach ständig davon, dass man zu einem Abschluss kommen müsse, bei Verkäufen, im Leben und vermutlich im Leben nach dem Tod, so wichtig war es. »Verlasse nicht den Raum, bevor du nicht zum Abschluss gekommen bist«, sagte er, oder: »Egal welches Geschäft du gerade machst, in welcher Situation du dich befindest. Bring es immer zum Abschluss.«
Shane lehnte sich auf der Couch nach vorn, wobei er sich noch immer die Schulter rieb.
»Du verabredest dich mit diesem Kerl zum zweiten Mal und bist nicht mit ihm zum Abschluss gekommen?« Er schien es nicht glauben zu können, ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf.
Caroline schüttelte langsam und beschämt den Kopf. Ich war fasziniert.
»Also, wie ist er?«, wollte ich wissen. »Was macht er, wie sieht er aus, wo lebt er?«
Caroline atmete so tief durch, dass die Knöpfe, die sich an einer Seite ihres Tops hochzogen, abzuspringen drohten. Da ertönte die Türklingel, und wir fuhren alle auf.
»Das ist er. Oh Mist, meine Brüste. Ich bin noch nicht fertig, halte ihn auf! Halte ihn auf!«, kreischte sie mich an und verschwand schnell in ihrem Schlafzimmer.
Ich seufzte tief, genoss aber insgeheim das ganze Theater. Normalerweise war ich diejenige, die unsicher war. Es war schön, einmal die Vernünftige zu sein. Ich wandte mich zu Shane.
»Machst du die Tür auf, ich richte schnell etwas zu trinken her.« Ich hatte die Situation unter Kontrolle, und liebte dieses Gefühl.
In der Küche mixte ich einen großen Krug Pimm’s. Ich wurde zur Anhängerin dieses speziellen Getränks, als ich während meiner Jugendjahre Jilly Cooper kennenlernte. Ihre Romane musste ich wegen der darin enthaltenen herrlich langen und schamlosen Sexszenen vor meiner Mutter verstecken. Aus diesen Büchern habe ich viel gelernt, nicht zuletzt wie man einen verdammt guten Krug Pimm’s mixt. Ich befand mich in meinem Element, entkernte Äpfel, schnitt Orangen und Zitronen in Scheiben, schälte Gurken und riss kleine Zweige mit Pfefferminze von der Topfpflanze, die auf dem Fensterbrett stand. Ich hatte sie erst gestern gekauft, deshalb war sie noch am Leben. In der Diele hörte ich Stimmen. Ich hielt mitten im Schälen inne, meine Hände ruhten über der Spüle. Shane hörte auf zu sprechen, und ich konnte die andere Stimme jetzt klarer vernehmen. Sie klang vertraut, und ich versuchte sie einzuordnen. Sie war tief und ruhig, fast melodiös. War da die näselnde Aussprache der Midlands herauszuhören? Nein, Moment.
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