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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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Es war ein nördliches Näseln. Wie das in Nordirland. Ein singender Tonfall, zögernd und ernst. Das Eis klirrte sanft gegen den Rand des Glaskrugs. Ich drehte mich um, den Krug in der Hand. Mein Mund stand offen. Ich konnte seinen Hinterkopf sehen, leuchtend rote Haare.
    Ich konnte seine Schultern sehen, angespannt. Schwarze Jeans, die zu weit über eine schmale Taille hochgezogen waren, sich um feste Oberschenkel spannten, an langen Beinen hinuntergingen und unmittelbar über dem Knöchel aufhörten. Hässliche Schuhe, mit ausgefransten Schnürsenkeln, die zu lang waren. Langsamen Schritts, wie eine Nachtwandlerin, verließ ich die Küche. Shane drehte sich
um, um mich anzusehen, sein charmantes Lächeln erhellte seine Gesichtszüge.
    »Grace, darf ich vorstellen?«
    Er stand mit dem Rücken zu mir und hängte seine Jacke an die Garderobe. Ein Tropfen Pimm’s schwappte auf meinen nackten Fuß. Ich richtete den Krug auf. Der Lärm der Welt wich vor mir zurück. Barfuß stand ich da.
    »Grace?« Bernard sprach als Erster. Seine Stimme klang erstickt und angestrengt. Sein Gesicht verdunkelte sich. Er sah verwirrt und ein bisschen nervös aus.
    Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen. Shane war schneller.
    »Ihr beide kennt euch?« Wie ein Schiedsrichter beim Tennis sah er von mir zu Bernard und wieder zurück.
    Ich brauchte lange, bis ich etwas sagte. Meine Zunge klebte mir am Gaumen fest.
    »Wir arbeiten zusammen«, erklärte ich Shane, und mit einer Drehung zu Bernard: »Ich wohne hier. Aber was machst du hier?« Meine Stimme klang seltsam in meinen Ohren. Hoch und rau. Selbst jetzt fiel bei mir der Groschen noch nicht.
    »Ach toll, ihr habt euch schon alle einander vorgestellt. Grace, du hast Pimm’s gemacht. Herrlich.« Carolines Worte trafen mich wie Pfeile, als sie ins Wohnzimmer stöckelte. Ich entfernte mich von Shane und Bernard, drehte mich um und ging langsam zurück in die Küche. Shane folgte mir.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?« Er musterte mich scharf. Das Gewicht des Krugs schien plötzlich unerträglich, und ich stellte ihn auf die Theke.
    »Ja, bestens. Ich hole nur die Gläser.« Ich arbeitete hart daran, meinen Atem zu beruhigen.
    »Sie stehen hier auf der Theke.« Shane zeigte auf sie, als ich auf der anderen Seite der Küche einen Schrank öffnete.
    »Oh ja, ich vergaß.« Ich wünschte mir Shane sonst wohin, nur nicht hierher.
    »Warum gehst du nicht hinüber und unterhältst dich mit Caroline und Bernard. Ich komme in einer Minute dazu. Ich hole uns nur noch etwas zum Knabbern.« Ich lächelte ihn strahlend an, und er schien sich zu entspannen. Das Messer in meinem Herzen drehte sich ein Stück. Shane nickte und ging. Ich wankte zur anderen Seite der Küche, wo man mich nicht sehen konnte, und lehnte mich hilfesuchend an die Theke. Caroline und Bernard. Bernard war Carolines Blind Date. Caroline hatte ihn zum Mann fürs Leben erwählt. Selbst wenn Bernard nicht ebenso empfand, hatte er keine Chance. Ich verdeckte mein Gesicht mit den Händen und flüsterte alle Flüche, die ich nur kannte.
    »Grace, was machst du da?« Es war Caroline. Ich öffnete einen Küchenschrank und wirbelte zu ihr herum.
    »Hol nur ein paar Nüsse und so.« Ich schenkte ihr ein breites Lächeln.
    »Also, was meinst du?«, flüsterte sie mir theatralisch – und strahlend – zu.
    »Ich kenne den Kerl«, gestand ich schwach. »Ich arbeite mit ihm zusammen.«
    »Wirklich?« Caroline wirkte skeptisch. »Er hat nie erzählt, dass er in deiner Firma arbeitet. Wie kommt es, dass du ihn nie erwähnt hast? Er ist so nett.« Sie warf einen Blick in Richtung Wohnzimmer, als sie das sagte. Ich folgte ihrem Blick. Bernard saß auf der Sofakante und wirkte, während Shane sich mit ihm unterhielt, irgendwie fehl am Platz.
    »Äh, wir arbeiten auf verschiedenen Stockwerken. Ich sehe ihn kaum. Außerdem ist er sowieso neu.«
    »Mit gefärbten Haaren und neuer Kleidung könnte er
perfekt sein.« Caroline hörte mir nicht zu. Ich wandte mich ab und beschäftigte mich mit den Schüsseln.
    »Grace.« Als Caroline sich mir zuwandte, wirkte sie besorgt. »Was machst du da? Du schüttest Maiskörner in die Schüssel. Haben wir kein fertiges Popcorn? Ich dachte, wir hätten Tortilla-Chips? Und Dips? Lass uns doch das hinstellen, ja?«
    »Oh ja, tut mir leid. Weißt du was? Geh doch einfach schon mal raus, und ich komme in einer Minute zu euch. Ich mach nur das hier noch schnell fertig, okay?« Ich brauchte einen Augenblick für mich,

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