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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Gedankeneingebung.
    Für diesen Fall wurde angedacht und vereinbart, eine ambulant zu etablierende Beobachtung des U. Beck sowie gegebenenfalls eine Behandlung auf Basis einer notwendigen eingehenden Untersuchung in Betracht zu ziehen – das aber vorbehaltlich der Zustimmung und Krankheitseinsicht des U. Beck.

MAI
35
    Kimmo Joentaa zählte die Fenster des Krankenhauses in Turku. Dann zählte er noch einmal. Dann rief er Sundström an und fragte, wohin er fahren solle. Nicht weit, ins nahe gelegene Salo.
    Er betrachtete die Fenster und fand die Ruhe, Sundström zuzuhören, während er die Fakten zusammenfasste. In Helsinki war eine unbekannte Tote aufgefunden worden, eine junge Frau, von einer Spaziergängerin, auf einer Bank liegend. Neben der Bank hatte eine männliche Leiche gelegen, deren Identität ebenso unbekannt war wie die der Frau, denn beide hatten keine Personalien bei sich gehabt.
    Nur eine Visitenkarte hatte in der Manteltasche des Mannes gelegen, eine Visitenkarte mit der Adresse des Clubs, in dem die Frau nach ersten Erkenntnissen gearbeitet hatte. In Salo bei Turku, im Industriegebiet, Satamakatu 114, ein großes Gelände, kaum zu verfehlen, das hatte Sundström am Telefon betont.
    Während Joentaa fuhr, dachte er an Lasse Ekholm, der in einem der Zimmer lag, hinter einem der vielen Fenster des Krankenhauses, mit einigen gebrochenen Rippen. Joentaa dachte an Anna, an das leere Auto, das vor der dunklen Kulisse eines Waldes gestanden hatte, angestrahlt von Scheinwerfern.
    Er dachte an die Zahl, die am Ende des Zählens der Fenster gestanden hatte, zweimal dieselbe, was dafür sprach, dass er richtig gezählt hatte, dass die Zahl stimmte. Aber sicher konnte man nie sein, und was war schon richtig? Er hatte eine Zahl, aber er wusste nicht, hinter welchem der Fenster Sanna gelegen hatte, vor einigen Jahren, in den Tagen, in denen sie gemeinsam auf den letzten Tag ihres Lebens gewartet hatten.
    Er dachte an Larissa, an das, was Sundström gesagt hatte, gerade eben, am Telefon, das merkwürdige, versachlichende und gleichzeitig pauschale Wort, das er verwendet hatte. Prostituiertenmord. Eine junge Frau, aufgefunden in Helsinki, aber gearbeitet hatte sie in Salo bei Turku.
    Larissa, oder wie immer sie hieß, hatte zuletzt in einer Terminwohnung gearbeitet und nicht in Salo, nicht in einem Club, nicht im Industriegebiet. Aber sie hatte ihm auch einige Male erzählt, dass sie dazu tendiere, ihre Arbeitsstätten von Zeit zu Zeit zu wechseln, und Kimmo Joentaa hatte sich davon selbst überzeugen dürfen, wenn er, nach Tagen oder Wochen ihrer Abwesenheit, erfolglos auf die Suche nach ihr gegangen war. Kein Mensch, den er je getroffen hatte, konnte so gut spurlos verschwinden wie Larissa.
    Der Club in Salo war ein flaches Bürogebäude, das neben einer großen Lagerhalle stand, und während Joentaa ausstieg und über den Parkplatz ging, sah er schon seinen Kollegen Petri Grönholm vor der Tür stehen, neben einer kleinen älteren Frau, die abwechselnd an einer Zigarette zog und den Kopf schüttelte.
    »Hallo, Kimmo«, sagte Grönholm.
    »Hallo, Petri«, sagte Joentaa, ohne stehen zu bleiben. Er nickte auch der kleinen Frau zu, und Grönholm sagte noch etwas, aber er verstand es nicht, er lief durch die Tür, durch einen engen Gang, der in einen großen Raum führte, einen Raum, der wie ein Wohnzimmer aussah, ein Wohnzimmer, in dem Sundström an einem Tisch saß, umgeben von jungen Frauen, die ihn fragend ansahen. Die Blicke verschlossen und gleichzeitig neugierig. Eine der Frauen hatte das gleiche Oberteil und den gleichen Stringtanga an, den Larissa häufig überstreifte, morgens, bevor sie zur Arbeit ging. Larissa, dachte er, aber er sah sie nicht.
    Er suchte die Gesichter ab, ohne das Gesicht von Larissa zu finden. Sie war nicht hier, was nicht hieß, dass sie in Helsinki auf einer Bank in einem Park lag, sie konnte überall sein, vielleicht hob sie gerade jetzt, in diesem Moment, die Giraffe aus dem Schnee unter dem Apfelbaum. Sie öffnete die Tür. Betrat das Haus. Löschte das Licht.
    »Kimmo«, sagte Sundström, und der Ton, in dem er es sagte, ließ vermuten, dass er es nicht zum ersten Mal sagte.
    »Hallo, Paavo«, sagte Joentaa.
    »Alles klar so weit?«
    »Ja.«
    »Du wirkst abwesend.«
    »Ja?«, sagte Joentaa, und Sundström lachte.
    »Egal. Nichts Neues. Kannst du zufällig Rumänisch? Ungarisch, Russisch, Lettisch, Tschechisch und so weiter?«
    »Äh … nein …«
    »Macht nichts. Es würde nur die

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