Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
seines Blickfeldes, aber jenseits seiner selbst am Boden spielte.
Er stand auf dem Balkon der weißen Wohnung und sah den Polizisten zu, die in dem leeren Raum, der die beiden Leichen umgab, auf und ab gingen, geduldig, ruhig und kontrolliert waren ihre Handgriffe, konzentriert die Gespräche, die sie führten. Er hatte das Gefühl, dem Schnee dabei zusehen zu können, wie er schmolz.
Ein Schauspiel, dachte er. Ein Schauspiel, das sich selbst ad absurdum führte. Statt den Vorhang zu öffnen, hatten die Polizisten ein breites Tuch geholt, das die Bühne verdeckte, ein Tuch, das von uniformierten Polizisten gehalten wurde, unbeholfen, stoisch, und die Uniformen sahen unecht aus, unecht und unsinnig, Requisiten. Wenn die Uniformen falsch waren, waren vielleicht auch die Toten nicht wirklich da, die die Uniformierten mit dem Tuch vor Blicken schützen wollten.
Markus Sedin dachte, dass das ein merkwürdiger Gedanke war. Tote beschützen zu wollen.
Er sah die beiden Männer, die direkt an der Absperrung mit Leuten sprachen und sich beratschlagten. Der Ältere vermittelte auf eine merkwürdig müde, gleichzeitig souverän behutsame Art den Eindruck, diese Ermittlung zu leiten. Er hatte lange im Zentrum der verschneiten Fläche gestanden, allein, hatte seinen Blick sehr langsam wandern lassen, als wolle er versuchen, ein Gefühl für Zusammenhänge zu gewinnen, als sei er dabei, aus Fragmenten ein Ganzes zu formen.
Markus Sedin hatte ihm, auf dem Balkon stehend, dabei zugesehen, er hatte den Blick nicht mehr von diesem Mann abwenden können, und er hatte sich vorgestellt, dass der Mann irgendwann den Kopf heben und ihn ansehen würde, dass sich ihre Blicke über die Distanz hinweg begegnen und dass dieser Mann im Bruchteil einer Sekunde alles verstehen würde.
Aber der Mann hatte nicht nach oben gesehen, nicht auf das weiße Haus und den Balkon, auf dem er stand, und Markus Sedin war zwischenzeitlich zurück in die Wohnung gegangen und hatte seine Arbeit fortgesetzt, hatte die Böden gereinigt, bis alles aussah wie neu, wie gerade erst gekauft und verlegt. Er hatte die Bezüge des Sofas und die Kissen entfernt und in einem Müllsack verstaut und durch die neuen Bezüge und die neuen Kissen ersetzt, die er gleich am Morgen in dem Möbelhaus gekauft hatte, in dem er vor nicht langer Zeit schon einmal gewesen war, mit Réka. Sie hatte gelacht, während sie die Möbel ausgesucht hatte, und am Ende, als sie, im Einklang mit dem Tempo der Schafe, nach Hause gefahren waren, hatte sie gesagt, dass sie so glücklich sei wie noch nie in ihrem Leben.
Markus Sedin war wieder nach draußen gegangen, auf den Balkon, und er hatte die tote Frau auf der Bank liegen sehen, denn die Polizisten hielten das Tuch in einem Winkel, der seinen Blick auf die Leichen nicht einschränkte. Réka.
Sie lag auf der Bank, der unbekannte Mann, ihr Freund, aller Wahrscheinlichkeit nach, lag am Boden, die Position ein wenig verändert, nicht mehr mit dem Gesicht nach unten. Weil einer der Beamten Fotos gemacht hatte, Fotos von den Toten.
Die Polizisten setzten jeden ihrer Schritte behutsam, je näher sie den Leichen kamen, desto behutsamer wurden ihre Bewegungen, als hinge die Lösung des Rätsels an seidenen Fäden, die Lösung des Rätsels, die Antwort auf die Fragen, die er, Sedin, ihnen gestellt hatte.
In einiger Entfernung, auf dem Parkplatz, liefen uniformierte Polizisten an der Reihe parkender Wagen entlang. Sie blieben vor einem weißen Mercedes stehen, und eine Erinnerung zuckte auf, ein Bild. Ein weißer Mercedes, am Abend zuvor, der lange vergangen zu sein schien, in Salo, auf dem Gelände des Clubs, vor dem Bürohaus und der Lagerhalle. Er hatte seinen Wagen neben einem weißen Mercedes geparkt, und jetzt schloss er die Augen und sah in Gedanken Réka in diesem Wagen sitzen, neben dem Mann, Tag für Tag, morgens, abends, und er fragte sich, welche Gespräche die beiden geführt hatten, während der Mann Réka zur Arbeit gefahren hatte.
Er betrachtete die Polizisten, die den Wagen begutachteten, einer telefonierte und schien von der Information, die er erhielt, wenig begeistert zu sein. Er sprach mit dem anderen, der nickte und zu verstehen schien, und auch Sedin verstand. Ein weißer Mercedes, der nirgendwohin führen würde. Ein Nummernschild, das nicht existierte, ein Wagen, dessen Eigentümer irgendwann ausfindig gemacht werden würde, aber dieser Eigentümer würde nichts beizusteuern haben, lediglich seine Freude darüber, dass
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