Tage in Burma
Junge, den er heute morgen geschlagen hat, ist blind geworden. Ihr müßt Ellis zu uns hier herausschicken, so daß wir ihn bestrafen können. Den anderen von Euch wird nichts geschehen.«
»Merk dir nur das Gesicht von dem Kerl«, sagte Ellis über die Schulter zu Flory. »Wir werden ihm später hierfür sieben Jahre verpassen.«
Mr. Macgregor war vorrübergehend purpurrot angelaufen.
Sein Zorn war so groß, daß er ihn fast erstickte. Ein paar Sekunden lang konnte er nicht sprechen, und als er dann die
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Sprache wiederfand, war es Englisch.
»Was glaubt ihr, wen ihr hier vor euch habt? Seit zwanzig
Jahren habe ich keine solche Unverschämtheit gehört. Macht augenblicklich, daß ihr wegkommt, sonst rufe ich die
Militärpolizei.«
»Machen Sie lieber schnell, Min gyi. Wir wissen, daß es in Euern Gerichten für uns keine Gerechtigkeit gibt, also müssen wir Ellis selbst bestrafen. Schicken Sie ihn uns her. Sonst werdet ihr es alle bereuen.«
Mr. Macgregor machte eine wütende Bewegung mit der
Faust, als schlüge er einen Nagel ein. »Mach, daß du
wegkommst, Hundesohn!« schrie er, mit seinem ersten
Schimpfwort nach vielen Jahren.
Auf der Straße erhob sich ein donnerndes Gebrüll und ein so dichter Hagel von Steinen, so daß alle etwas abbekamen, auch die Burmanen auf dem Weg. Ein Stein traf Mr. Macgregor
mitten ins Gesicht und warf ihn fast um. Die Europäer flüchteten hastig ums Haus und verbarrikadierten die Tür. Mr. Macgregors Brille war zerbrochen, und aus seiner Nase strömte das Blut. Sie gingen in den Salon zurück, wo sie Mrs. Lackersteen fanden, die sich auf einem Liegestuhl wand wie eine hysterische Schlange, während Mr. Lackersteen unentschlossen mit einer leeren
Flasche in der Hand mitten im Raum stand; der Butler lag, sich bekreuzigend, in einer Ecke auf den Knien (er war katholisch), die Chokras heulten, und nur Elizabeth war ruhig, wenn auch sehr blaß.
»Was ist geschehen?« rief sie.
»Wir sitzen in der Tinte, das ist geschehen!« sagte Ellis
ärgerlich und tastete seinen Nacken ab, wo ihn ein Stein
getroffen hatte. »Wir sind von den Burmanen eingeschlossen, sie schmeißen mit Steinen. Aber nur die Ruhe bewahren! Sie haben nicht den Schneid, die Türen einzuschlagen.«
»Ruf sofort die Polizei!« sagte Mr. Macgregor etwas
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undeutlich, denn er stillte seine blutende Nase mit dem
Taschentuch.
»Können wir nicht!« sagte Ellis. »Ich hab mich umgesehen,
während du zu denen gesprochen hast. Sie haben uns
abgeschnitten, diese beschissenen Seelen! Niemand kann zur Polizei durch, es ist unmöglich. Veraswamis Grundstück ist voll von Männern.«
»Dann müssen wir warten. Wir können uns darauf verlassen,
daß sie von selbst abrücken. Beruhigen Sie sich, meine liebe Mrs. Lackersteen, bitte, beruhigen Sie sich! Die Gefahr ist gering.«
Aber sie klang nicht gering. Das Gebrüll ging ununterbrochen weiter, und die Burmanen schienen zu Hunderten auf das
Grundstück zu strömen. Der Lärm schwoll plötzlich so hoch an, daß man sich nur schreiend verständigen konnte. Alle Fenster im Salon waren geschlossen worden, und die perforierten
Zinkläden im Innern, die gelegentlich als Schutz gegen Insekten dienten, waren ebenfalls geschlossen und verriegelt. Unter einem Hagel von Steinwürfen zerbrachen die Fenster, dann
setzte ein unaufhörliches Trommeln von Steinen von allen
Seiten ein, das die dünnen Holzwände erschütterte und sie jeden Augenblick spalten konnte. Ellis öffnete einen Fensterladen und schleuderte bös eine Flasche in die Menge, aber ein Dutzend Steine kam hereingesaust, und er mußte den Laden schleunigst schließen. Die Burmanen schienen außer Steinwürfen, Gebrüll und Behämmern der Wände nichts vorzuhaben, aber allein der lautstarke Lärm war entnervend. Die Europäer waren davon
zunächst halb benommen. Keiner von ihnen dachte daran, Ellis Vorwürfe zu machen, der alles verursacht hatte; die gemeinsame Gefahr schien sie sogar eine Zeitlang einander näherzubringen.
Mr. Macgregor, ohne Brille halb blind, stand verwirrt mitten im Zimmer; er hatte seine rechte Hand Mrs. Lackersteen
überlassen, die sie streichelte, während sich ein weinender Chokra an sein linkes Bein klammerte. Mr. Lackersteen war
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wieder verschwunden. Ellis stapfte wütend auf und ab und
schüttelte die Faust in Richtung Polizeiwache.
»Wo ist die Polizei, diese feige Blase?« schrie er ohne
Rücksicht auf die Damen. »Warum kommen sie nicht? Mein
Gott, so
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