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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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eine Gelegenheit kriegen wir nicht wieder in hundert Jahren! Wenn wir nur zehn Gewehre hier hätten, wir könnten diese Schweine zu Brei schießen!«
    »Sie werden gleich hier sein!« rief Mr. Macgregor zurück.
    »Sie werden ein paar Minuten brauchen, um durch diese Menge durchzukommen. «
    »Aber warum gebrauchen sie ihre Gewehre nicht, die elenden Hundesöhne? Sie könnten sie zu blutigen Haufen abschlachten, wenn sie nur das Feuer eröffnen würden. O Gott, zu denken, daß man so eine Gelegenheit versäumt!«
    Ein Stein zerschlug einen der Zinkfensterläden. Ein zweiter folgte ihm durch das entstandene Loch, flog in ein ›Bonzo‹-Bild, prallte zurück, traf Elizabeths Ellbogen und landete schließlich auf dem Tisch. Von draußen erscholl Triumphgeheul, dann eine Reihe überlauter dumpfer Schläge auf das Dach. Ein paar
    Kinder waren auf Bäume geklettert und amüsierten sich jetzt köstlich damit, auf dem Hintern das Dach hinunterzurutschen.
    Mrs. Lackersteen übertraf alle ihre bisherigen Bemühungen
    durch einen Aufschrei, der den Lärm draußen mühelos
    übertönte.
    »Stopft dieser verdammten Hexe das Maul!« schrie Ellis.
    »Jemand könnte denken, hier wird ein Schwein geschlachtet.
    Wir müssen was tun. Flory, Macgregor, kommt her! Fällt denn niemandem was ein, wie wir aus diesem Schlamassel
    herauskommen?«
    Elizabeth hatte plötzlich die Nerven verloren und begann zu weinen. Der Steinwurf hatte sie verletzt. Zu Florys Erstaunen klammerte sie sich plötzlich fest an seinen Arm. Selbst in diesem Augenblick drehte es ihm das Herz um. Er hatte die
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    Szene fast gleichgültig beobachtet - zwar benommen von dem Lärm, aber nicht sehr erschrocken. Er fand es immer schwer zu glauben, daß Orientalen wirklich gefährlich werden könnten.
    Erst als er Elizabeths Hand auf seinem Arm fühlte, begriff er den Ernst der Situation.
    »Ach, Mr. Flory, bitte, bitte, fällt Ihnen denn nichts ein?
    Sicher, sicher! Alles lieber, als diese furchtbaren Menschen hier hereinlassen!«
    »Wenn nur einer von uns zur Polizei gelangen könnte!«
    stöhnte Mr. Macgregor. »Ein britischer Offizier, der sie führt!
    Schlimmstenfalls muß ich eben selbst versuchen,
    durchzukommen.«
    »Sei doch kein Idiot! Kriegst nur den Hals durchgeschnitten!«
    schrie Ellis. »Ich werde gehen, wenn es wirklich so aussieht, als ob sie hier eindringen. Aber ach, von solchen Schweinen getötet zu werden! Wie wütend würde mich das mache n! Und zu
    denken, daß wir die ganze verdammte Menge abmurksen
    könnten, wenn wir nur die Polizei hier hätten!«
    »Könnte nicht jemand am Flußufer entlanggehen?« rief Flory in Verzweiflung.
    »Hoffnungslos! Sie rennen zu Hunderten hin und her. Wir
    sind abgeschnitten - auf drei Seiten die Burmanen und auf der vierten der Fluß!«
    »Der Fluß!«
    Eine dieser verblüffenden Ideen, die man einfach übersieht, weil sie so naheliegend sind, war ihm aufgeblitzt.
    »Der Fluß! Natürlich! Wir können zur Polizei durchkommen -
    nichts leichter als das! Versteht ihr nicht?«
    »Wie?«
    »Nun, den Fluß hinunter - im Wasser! Schwimmen!«
    »Mann, du bist gut!« rief Ellis und gab Flory einen Schlag auf die Schulter. Elizabeth drückte seinen Arm und tanzte
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    tatsächlich ein paar Schritte vor Freude. »Ich tu’s, wenn ihr wollt«, rief Ellis, aber Flory schüttelte den Kopf. Er hatte schon angefangen, die Schuhe auszuziehen. Offenbar war keine Zeit zu verlieren. Die Burmanen hatten sich bisher wie Narren
    benommen, aber niemand konnte sagen, was geschehen würde,
    wenn es ihnen gelang, hier einzubrechen. Der Butler, der seinen ersten Schreck überwunden hatte, schickte sich an, das zum Rasen hinausgehende Fenster aufzumachen, und blickte
    verstohlen hinaus. Kaum zwanzig Burmanen waren auf dem
    Rasen. Sie hatten die Rückseite des Clubs unbewacht gelassen, in der Annahme, der Fluß würde jeden Rückzug abschneiden.
    »Den Rasen runter, so schnell du kannst!« schrie Ellis Flory ins Ohr. »Sie werden sich schon zerstreuen, wenn sie dich
    sehen.«
    »Die Polizei soll sofort das Feuer eröffnen!« rief Mr.
    Macgregor von der anderen Seite. »Du hast meine Vollmacht.«
    »Und sag ihnen, sie sollen tief halten. Nicht über die Köpfe weg feuern! Tödliche Schüsse! Am besten in den Bauch!«
    Flory sprang von der Veranda, verletzte sich die Füße auf dem harten Boden und war mit sechs Sätzen am Flußufer. Wie Ellis gesagt hatte, wichen die Burmanen für einen Augenblick
    zurück, als sie ihn herunterspringen

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