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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Sie
    beweisen, daß wir zu eine m anderen Zweck als zum Stehlen in
    -45-
    diesem Lande sind? Es ist so einfach. Der Beamte hält den
    Burmanen nieder, während der Geschäftsmann seine Taschen
    ausräumt. Glauben Sie, daß meine Firma zum Beispiel ihre
    Holzverträge bekommen könnte, wenn das Land nicht in der
    Hand der Briten wäre? Oder die anderen Holzfirmen oder die Ölgesellschaften oder die Grubenbesitzer und Pflanzer und
    Händler? Wie könnte der Reis-Ring den unglücklichen Bauern weiter rupfen, wenn die Regierung nicht hinter ihm stände? Das britische Empire ist einfach eine Einrichtung, um den
    Engländern - oder vielmehr den Gangsterbanden von Juden und Schotten - Handelsmonopole zuzuschanzen.«
    »Mein Freund, es ist für mich rührend, Sie so sprechen zu
    hören. Es ist wirklich rührend. Sie sagen, Sie sind hier, um Handel zu treiben? Natürlich sind Sie das. Könnten die
    Burmanen allein Handel treiben? Können sie Maschinen,
    Schiffe, Eisenbahnen, Straßen bauen? Sie sind hilflos ohne euch.
    Was würde aus den burmanischen Wäldern werden, wenn die
    Engländer nicht hier wären? Sie würden unverzüglich an die Japaner verkauft werden, und die würden sie ausrauben und
    zerstören. Statt dessen werden sie in Ihren Händen tatsächlich verbessert. Und während Ihre Geschäftsleute die Hilfsquellen unseres Landes entwickeln, werden wir durch Ihre Beamten
    zivilisiert, auf ihr Niveau emporgehoben aus reinem
    Gemeinsinn. Es ist ein prachtvolles Zeugnis von
    Selbstaufopferung.«
    »Blödsinn, mein lieber Doktor. Wir bringen den jungen
    Männern den Whisky und den Fußball bei, aber sonst äußerst wenig. Sehen Sie unsere Schulen an - Fabriken für billige Angestellte. Wir haben die Inder nicht ein einziges nützliches Handwerk gelehrt. Wir trauen uns nicht, aus Angst vor der
    industriellen Konkurrenz. Wir haben sogar verschiedene
    Industrien vernichtet. Wo sind die indischen Musseline jetzt? In den vierziger Jahren oder so wurden in Indien seetüchtige
    Schiffe gebaut und auch bemannt. Jetzt könnte man hier nicht
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    einmal ein seetüchtiges Fischerboot bauen. Im achtzehnten
    Jahrhundert haben die Inder Waffe n gegossen, die es auf jeden Fall mit den europäischen aufnehmen konnten. Jetzt, nachdem wir hundertfünfzig Jahre in Indien sind, könnt ihr im ganzen Kontinent nicht mal mehr eine Messing-Patronenhülse
    herstellen. Die einzigen östlichen Rassen, die sich überhaupt schnell entwickelt haben, sind die unabhängigen. Ich will Japan nicht als Beispiel anführen, aber nehmen Sie den Fall von Siam
    -«
    Der Doktor winkte aufgeregt ab. Er unterbrach die Debatte
    immer an diesem Punkt (denn in der Regel hatte sie fast Wort für Wort denselben Verlauf), denn der Fall von Siam störte ihn.
    »Mein Freund, mein Freund, Sie vergessen den orientalischen Charakter. Wie ist es möglich, uns zu entwickeln bei unserer Apathie und unserem Aberglauben? Wenigstens haben Sie bei
    uns für Recht und Ordnung gesorgt. Die unerschütterliche
    britische Gerechtigkeit und Pax Britannica.«
    »Pocks Britannica, Doktor, Pocks Britannica ist der richtige Name. Und auf jeden Fall, für wen ist es Pax? Für den
    Geldverleiher und den Rechtsanwalt. Natürlich halten wir
    Frieden in Indien, in unserem eigenen Interesse, aber worauf läuft denn das ganze Getue um Recht und Ordnung letzten
    Endes hinaus? Mehr Banken und mehr Gefängnisse - weiter
    heißt es nichts.«
    »Was für eine ungeheuerliche Verdrehung!« rief der Doktor.
    »Sind Gefängnisse nicht notwendig? Und haben Sie uns nichts weiter wie Gefängnisse gebracht? Denken Sie an Burma zur Zeit von Thibaw, dieser Schmutz, diese Folterungen und
    Unwissenheit, und dann sehen Sie sich jetzt um. Sehen Sie nur von dieser Veranda hinaus - sehen Sie dieses Krankenhaus und drüben rechts diese Schule und diese Polizeiwache. Da sehen Sie den ganzen Aufschwung des modernen Fortschritts!«
    »Natürlich leugne ich nicht«, sagte Flory, »daß wir dieses
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    Land in gewisser Hinsicht modernisiert haben. Das läßt sich gar nicht vermeiden. Tatsächlich werden wir, noch bevor wir damit fertig sind, die ganze burmanische Nationalkultur zerstört haben.
    Aber wir zivilisieren die Burmanen nicht, wir übertragen nur unseren Schmutz auf sie. Wohin wird er führen, dieser
    Aufschwung des modernen Fortschritts, wie Sie es nennen? Nur zu unserer lieben alten Sauerei, nämlich Grammophonen und
    steifen Hüten. Manchmal glaube ich, in zweihundert Jahren wird das alles -« er deutete

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