Tagebuch 1946-1949 (German Edition)
da!«
»Wer?«
»Knicks, der Oberkellner, bittet um die Wünsche betreffend das Diner.«
»Das haben wir doch schon damals auf der Kirmes besprochen!« sagt Gottlieb etwas ungnädig, dann zu Jenny: »Das habe ich dir ja noch gar nicht gesagt – Versprechen ist Versprechen, ich habe sie eingeladen, alle meine Freunde!«
»Hierher –?«
»Mach dir keine Sorge, wir werden sowieso umbauen –«, sagt Gottlieb und wendet sich wieder zum Harlekin: »Sie kommen wirklich?«
»Garantiert.«
»Großartig«, sagt Gottlieb und wendet sich wieder zu Jenny: »Sieben Wochen lang haben sie mich gefoppt, du weißt es, gehänselt haben sie mich. Nun was macht die chinesische Erbschaft? und so. Aber davon kein Wort! Ich bitte dich. Wir wollen uns nicht rächen, weißt du, nicht einmal zum Spaß. Schon so werden sie lange Gesichter machen. Aber unsrerseits, verstehst du: Noblesse … Es liegt mir dran, daß sie meine Freunde bleiben. Sie sollen es wie Fürsten haben.«
Jenny, von den weltmännischen Blicken dieses Harlekins etwas verwirrt, zieht ihr blaues Nachthemd über die Brust.
»Was weiter?« fragt Gottlieb.
»Smith, Tailor, London.«
»Was will der?«
»Das Maß nehmen, damit der Anzug noch fertig wird bis zum Diner –.«
»Sogleich.«
»Ferner fragt das Orchester, was es spielen soll.«
»Musik – etwas Rassiges – was sie halt können … Wo bleibt das Kleid für die Dame?«
Der Harlekin schnalzt mit den Fingern, es kommen Hutschachteln und Kleider, ein ganzes Schaufenster voll, Schuhe, Strümpfe, Pelze, Jenny kann es nicht fassen, sie weint:
»Gottlieb, Gottlieb!«
Gottlieb fragt den Harlekin:
»Was weiter?«
»Die Arbeiter sind da.«
»Also los!« sagt Gottlieb: »Umbauen –!«
Der Harlekin schnalzt mit den Fingern … Es ist nicht zu glauben, aber man sieht es mit eignen Augen: die Wände des kleinen Zimmers entfernen sich, vernobeln sich zugleich, aus der alten zerschlissenen Tapete wird ein lichter Stoff, modern, die Zimmerdecke entschwebt und wird sauber wie Schnee, und von oben kommen die neuen Lüster, schick, sehr schick, die Fenster werden breiter, vor allem höher, während auch schon die Vorhänge aus den Wänden fließen, Kaskaden von köstlichem Stoff, schlicht, aber köstlich über alle Kataloge hinaus, nicht zu vergessen der alte Ofen aus Gußeisen und das Ofenrohr, das verdampft in nichts, die Heizung ist in der Decke, Strahlungsheizung, versteht sich, und der Linol, der ehemals geblumte, dann verwetzte, an der Schwelle und unter dem Tisch schon lange verlöcherte, er rollt sich zusammen wie ein brennendes Papier, das in Asche zerfällt, ein Staubsauger nimmt die Asche, lautlos, und schon kommen die Arbeiter, verkleidet als Heinzelmänner, was ihnen selber sehr mißfällt, aber zum Murren ist keine Zeit, man muß froh sein um Arbeit, Gott segne die Herrschaften, die Geld haben, im Nu kleben sie das Parkett, ein Würfelparkett, Esche mitNußbaum – leider ein Irrtum, der Harlekin sagt kein Wort, schüttelt nur den Kopf und zieht den linken Mundwinkel, sofort reißen sie das Parkett wieder heraus, das kommt ins Musikzimmer, nicht hierher, schon kommen sie mit den geschliffenen Platten, die sogleich einen ganz anderen Eindruck geben, kühler, vornehmer, darüber ein purpurner Teppich, der sich von selber entrollt – leider, der Teufel kann sich irren, ist auch das wieder ein kleiner Irrtum, das gehört in die Halle, versteht sich, der Harlekin sagt kein Wort, er blickt nur den Vorarbeiter an, der die Schuld sogleich auf seine Schultern nimmt, mit einem Preßluftbohrer werden die erlesenen Platten entfernt, für den Fachmann ist es zum Heulen, aber Kosten spielen keine Rolle, die Platten müssen natürlich ersetzt werden, jetzt kann man keine Zeit verlieren, die neuen Möbel warten bereits, bis der Spannteppich aufgezogen ist, ein Spannteppich, daß man vor Wonne immerzu gehen möchte, nichts als gehen … Das ist es natürlich, was sich ziemt, und die Weite der Räume, mein Gott, diese Weite – nur, versteht sich, die kleine alte Bettkammer hat man noch stehen lassen, solang Jenny sich umkleidet, die kleine alte Bettkammer …
Der Harlekin:
Allein in dem gediegenen Raum, nachdem er die letzten Arbeiter durch ein kurzes Schnalzen der Finger entfernt hat, betrachtet er das Ganze mit einem prüfenden Blick, etwa wie ein Inspizient, da und dort verstellt er ein Möbel, verteilt die Aschenbecher, versucht, ob sich die Vorhänge auch wirklich ziehen lassen, findet eine Vase ohne eine
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