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Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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er nach Hause kommt, hat er einfach seinen Hut wieder. Das Klischee vom vergeßlichen Professor ärgert ihn; tatsächlich vergißt er immer weniger.
     
    . . .
     
    Einmal mitten auf der Straße nimmt er seinen Hut vom Kopf, bleibt stehen und schaut sich um, ob jemand ihn sehe, dann hängt er den Hut auf die eiserne Spitze eines Gartenzauns und geht weiter.
     
    . . .
     
    Manchmal wundert es ihn jetzt, wie hoch sein Kopf sich über seinen eigenen Füßen befindet, die da gehen auf dem Asphalt.
     
    . . .
     
    Als er krank wird, ist er froh.
     
    . . .
     
    Nach der Genesung sieht man ihn am Arm seiner Frau. Er nickt verschüchtert, wenn man ihn grüßt, erinnert sich aber an seine ehemaligen Schüler, die es weit gebracht haben, sogar an ihre Namen. Er sei genesen, sagt er höflich mit schiefer Haltung des Kopfes. Er trägt noch immer dieselbe Art von Hut, Filz, das Band verschwitzt. Sein Amt hat er nicht wieder angetreten. Seine Frau, die ihn über die Straße steuert, tut ebenfalls, als sei nichts geschehen. Die sichtbare Tatsache, daß die Bauten seiner Schüler (Siedlungen, Hallen für Kongresse, Krankenhäuser, Büro-Türme aus Stahl und Glas) allesamt nicht einstürzen, ändert nichts an seiner Selbsterkenntnis: – er verstehe nichts von Statik, habe nie verstanden, was er gelehrt habe –
     
     
    Ausflug aufs Land, UPSTATE NEW YORK, und wie immer bei solchen Ausflügen: Wo ist man jetzt eigentlich? Landschaft der Indianer, aber nur Schlangen soll es noch geben. Paradies ohne Leute. Ein Schild an Bäumen: Verbrechen auf diesem Eigentum werden von der Polizei geahndet. Haus aus Holz, weiß auf grünem Rasen in einem Park, der ringsum übergeht in Wildnis, ein großer Teich vermutlich mit Fischen und wieder das Schild: Verbrechen auf diesem Eigentum usw. Nach einer friedlichen Weilesehen wir tatsächlich einen Fisch, sogar zwei. Der Besitzer reist in Europa. Oder in Ägypten? Das Schild meint nicht uns; wir haben den Schlüssel zum Haus, Erlaubnis, all diese Natur zu benützen. Einiges blüht gerade. Unser Begleiter, ein jüngerer Professor der Soziologie, war schon öfter als Gast hier, findet auch einen Büchsenöffner. Wenn man vor dem Haus sitzt: einmal ein Hase, sehr schöne Vögel, ein weißes Pferd grast allein in der Gegend. Alles Eigentum, soweit man sieht. Zwei Stunden von Manhattan. Nacht mit Pfiffen einer Eisenbahn, aber keine Schritte: keine Diebe. Am andern Morgen sind alle Hügel noch da, auch der Teich, die Vögel usw.

Fragebogen
     
    1.
    Können Sie sich erinnern, seit welchem Lebensjahr es Ihnen selbstverständlich ist, daß Ihnen etwas gehört, beziehungsweise nicht gehört?
     
    2.
    Wem gehört Ihres Erachtens beispielsweise die Luft?
     
    3.
    Was empfinden Sie als Eigentum:
a.
was Sie gekauft haben?
b.
was Sie erben?
c.
was Sie gemacht haben?
     
    4.
    Auch wenn Sie den betreffenden Gegenstand (Kugelschreiber, Schirm, Armbanduhr usw.) ohne weiteres ersetzen können: empört Sie der Diebstahl als solcher?
     
    5.
    Warum?
    6.
    Empfinden Sie das Geld schon als Eigentum oder müssen Sie sich dafür irgend etwas kaufen, um sich als Eigentümer zu empfinden, und wie erklären Sie es sich, daß Sie sich um so deutlicher als Eigentümer empfinden, je mehr Sie meinen, daß man Sie um etwas beneidet?
     
    7.
    Wissen Sie, was Sie brauchen?
     
    8.
    Gesetzt den Fall, Sie haben ein Grundstück gekauft: wie lange dauert es, bis Sie die Bäume auf diesem Grundstück als Eigentum empfinden, d.h., daß das Recht, diese Bäume fällen zu lassen, Sie beglückt oder Ihnen zumindest selbstverständlich vorkommt?
     
    9.
    Erleben Sie einen Hund als Eigentum?
     
    10.
    Mögen Sie Einzäunungen?
     
    11.
    Wenn Sie auf der Straße stehenbleiben, um einem Bettler etwas auszuhändigen: warum machen Sie's immer so flink und so unauffällig wie möglich?
     
    12.
    Wie stellen Sie sich Armut vor?
     
    13.
    Wer hat Sie den Unterschied gelehrt zwischen Eigentum, das sich verbraucht, und Eigentum, das sich vermehrt, oder hat Sie das niemand gelehrt?
     
    14.
    Sammeln Sie auch Kunst?
     
    15.
    Kennen Sie ein freies Land, wo die Reichen nicht in der Minderheitsind, und wie erklären Sie es sich, daß die Mehrheit in solchen Ländern glaubt, sie sei an der Macht?
     
    16.
    Warum schenken Sie gerne?
     
    17.
    Wieviel Eigentum an Grund und Boden brauchen Sie, um keine Angst zu haben vor der Zukunft? (Angabe in Quadratmetern.) Oder finden Sie, daß die Angst eher zunimmt mit der Größe des Grundeigentums?
     
    18.
    Wogegen

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