Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
was sie reden, oder am Telephon oder auf der Straße, kaum hat man sich begrüßt, sofort wissen sie, was reden.
. . .
Er meidet jetzt jede Situation, wo er sein Schweigen hört. Er bleibt stehen vor Baustellen: Lärm von Preßluftbohrern, Lärm von einem Bagger usw., aber jeder Lärm hört wieder auf.
. . .
Eine Zeitlang, früher, redete er wahrscheinlich zu sich selbst, während er schwieg; er wußte noch, was er im Augenblick verschwieg – wörtlich.
. . .
Man sieht ihm nichts an.
. . .
Ein Selbstmordplan, der daran scheitert, daß er in einem Brief, den er seiner Frau meint schuldig zu sein, nichts zu sagen hat –
. . .
Begräbnisse waren nie schlimm für ihn, selbst wenn er den Verstorbenen geschätzt hat. Alle in Schwarz, manche erschüttert, alle geben zu, daß sie nicht wissen, was man dazu sagen soll; Händedruck: Es gibt einfach nichts zu sagen.
. . .
Später tut er's ohne Brief.
BERZONA, Juni 1966
Anruf aus Moskau, LITERATURNAJA GAZETA bittet um Kundgebung zu den Bombenangriffen auf Nord-Vietnam. Sofort. Sie wollen morgen um diese Zeit, 12.00, wieder anrufen.
»Sie fragen, was die westlichen Schriftsteller zu den amerikanischen Bombenangriffen auf Nord-Vietnam zu sagen haben. Sie setzen voraus, daß wir unsere Meinung ungestraft aussprechen können. Das ist weitgehend der Fall. Wenn Sie westlichen Schriftstellern versprechen können, daß Sie unsern Protest auch veröffentlichen, wenn er sich nicht gegen die USA richtet, sondern beispielsweise gegen die Verurteilung sowjetischer Schriftsteller, so bin ich Ihnen für die Veröffentlichung der folgenden Stellungnahme zu den amerikanischen Bombenangriffen auf Nord-Vietnam dankbar.« Der vereinbarte Anruf um 12.10. Die Person, die das Diktat abnimmt, spricht Deutsch ohne Schwierigkeit, versauert aber bei der Erwähnung sowjetischer Schriftsteller. Ich verlange Zusage: ganzer Text oder nichts. Zehn Tage später Anruf aus Moskau: man habe auf den Beitrag verzichtet. Stimme sehr freundlich. Grund: ich habe mich nicht an die Frage gehalten.
Fragebogen
1.
Ist die Ehe für Sie noch ein Problem?
2.
Wann überzeugt Sie die Ehe als Einrichtung mehr: wenn Sie diese bei andern sehen oder in Ihrem eignen Fall?
3.
Was haben Sie andern öfter geraten:
a.
daß sie sich trennen?
b.
daß sie sich nicht trennen?
4.
Kennen Sie auch Versöhnungen, die keine Narben hinterlassen auf der einen oder auf der andern oder auf beiden Seiten?
5.
Welche Probleme löst die gute Ehe?
6.
Wie lange leben Sie durchschnittlich mit einem Partner zusammen, bis die Aufrichtigkeit vor sich selbst schwindet, d.h. daß Sie auch im stillen nicht mehr zu denken wagen, was den Partner erschrecken könnte?
7.
Wie erklären Sie es sich, daß Sie bei sich selbst oder beim Partner nach einer Schuld suchen, wenn Sie an Trennung denken?
8.
Hätten Sie von sich aus die Ehe erfunden?
9.
Fühlen Sie sich identisch mit den gemeinsamen Gewohnheiten in Ihrer derzeitigen Ehe? Und wenn nicht: glauben Sie, daß Ihr ehelicher Partner sich identisch fühlt mit diesen Gewohnheiten, und woraus schließen Sie das?
10.
Wann macht Sie die Ehe eher nervös:
a.
im Alltag?
b.
auf Reisen?
c.
wenn Sie allein sind?
d.
in Gesellschaft mit vielen?
e.
unter vier Augen?
f.
abends?
g.
morgens?
11.
Entwickelt sich in der Ehe ein gemeinsamer Geschmack (wie die Möblierung ehelicher Wohnung vermuten läßt) oder findet für Sie beim Kauf einer Lampe, eines Teppichs, einer Vase usw. jeweils eine stille Kapitulation statt?
12.
Wenn Kinder vorhanden sind: fühlen Sie sich den Kindern gegenüber schuldig, wenn es zur Trennung kommt, d.h. glauben Sie, daß Kinder ein Anrecht haben auf unglückliche Eltern? Und wenn ja: bis zu welchem Lebensalter der Kinder?
13.
Was hat Sie zum Eheversprechen bewogen:
a.
Bedürfnis nach Sicherheit?
b.
ein Kind?
c.
die gesellschaftlichen Nachteile eines unehelichen Zustandes, Umständlichkeiten in Hotels, Belästigung durch Klatsch, Taktlosigkeiten, Komplikationen mit Behörden oder Nachbarn usw.?
d.
das Brauchtum?
e.
Vereinfachung des Haushalts?
f.
Rücksicht auf die Familien?
g.
die Erfahrung, daß die uneheliche Verbindung gleichermaßen zur Gewöhnung führt, zur Ermattung, zur Alltäglichkeit usw.?
h.
Aussicht auf eine Erbschaft?
i.
Hoffnung auf Wunder?
k.
die Meinung, es handle sich lediglich um eine Formalität?
14.
Hätten Sie der standesamtlichen oder
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