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Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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Buchgraben sind betrunkene Soldaten in die Kirche eingedrungen und haben sie geschändet. Sie johlten und grölten, zerschlugen Gemälde und Kulturgegenstände und schossen auf das Kruzifix. Da wurde ein Mann, der in der Nähe wohnte, von Wut gepackt. Er holte das Gewehr, das er unter dem Heustock versteckt hatte, und schoß auf die Übeltäter. Dabei wurde einer der Soldaten der Besetzungsmacht verwundet. Am Tag darauf ließ der Kommandant der Besetzungstruppe eine Ordnungskompanie der Parteimiliz in Buchgraben einmarschieren. Alle Männer wurden vor der Kirche zusammengetrieben und mit Maschinengewehren zusammengeschossen. Frauen und Kinder wurden verschleppt und das Dorf angezündet.«
    (S. 286)
    »Widerstandskampf ist keine Sache sentimentaler Aufwallung, sondern bedarf nüchterner und scharfsinniger Planung.«
    (S. 287)
    »Schließlich wagt sich diese (Besetzungsmacht) auch an die Kirche. Die Religion wird zwar nicht ausdrücklich verboten, aber ihre Anhänger werden überall benachteiligt. In der Schule wird der Religionsunterricht untersagt. Die Ausbildung von Pfarrern und Priestern wird unterbunden, so daß viele Gemeinden keinen Seelsorger mehr haben.«
    (S. 289)
    »Geistige Freiheit hochhalten./Zwei jüngere Schriftsteller und eine Journalistin stehen in einem großaufgezogenen Schauprozeß vor den Schranken eines Gerichtes der Besetzungsmacht. Sie hatten vor der Besetzung zu den Avantgardisten gehört und europäischen Ruf genossen. Da sie die Zustände in der Schweiz oft zynisch glossiert hatten, schrieb man ihnen Sympathien zur Ideologie der jetzigen Besetzungsmacht zu. Nach der Besetzung hatte der Kulturkommissär der Besetzungsmacht versucht, die zwei Schriftsteller und die bekannte Journalistin vor den Wagen seiner Propaganda zu spannen, indem er ihnen gut bezahlte Stellen im Kulturkommissariat anbot … Sie blieben ihrer Aufgabe treu, auch unter der neuen Ordnung die Wahrheit zu sagen, so wie sie sie unter der alten Ordnung gesagt hatten. Sie wurden der Gefährdung der Staatssicherheit schuldig befunden und zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt.«
    (S. 290)
    »Das Beispiel zündet. Jeder weiß nun, was er zu tun hat. Niemand fällt auf den Kulturköder der Besetzungsmacht herein. Jeder steht an seiner Stelle für die Wahrheit: Mütter, Lehrer, Pfarrer, Schriftsteller … Niemand paßt sich an.«
    (S. 291)
    »Viele Schweizerinnen und Schweizer werden erschossen oder in Konzentrationslager verschleppt. Dörfer werden zerstört. Doch diese Opfer haben einen Sinn – weil jeder Schlag gegen den Gegner uns der Freiheit näher bringt. Wer in diesem Kampf fällt, hat sein Leben für die Heimat und für die Freiheit hingegeben, wie ein Soldat an der Front. Die Widerstandsregierung hat sich verpflichtet, für seine Angehörigen zu sorgen; auf Umwegen, solange das Land besetzt ist, offen, nach der Befreiung des Landes.«
    (S. 295)
    »Es mag sein, daß am Tag des Vorstoßes aus dem Alpenraum der Oberbefehlshaber der schweizerischen Widerstandsarmee durch Flugblätter einen Tagesbefehl in der folgenden Art an die Bevölkerung der Schweiz erläßt: Schweizerinnen und Schweizer! Die Stunde der Freiheit ist gekommen. Die Armeen der Befreiung stoßen vom Ausland und aus dem Alpenraum vor. In wenigen Tagen sind wir bei euch … Begeht keine Handlungen des Hasses gegen Schweizer, die ihr für Mitarbeiter des Feindes gehalten habt. Viele von ihnen waren unsere getarnten Agenten …«
    (S. 299)
    »Wir haben das Bild des Krieges an uns vorbeiziehen lassen, damit wir uns im Geiste mit seiner Wirklichkeit vertraut machen. Nur so werden wir innerlich stark und brechen in der Gefahr nicht zusammen.«
    (S. 300)
    NOTGEPÄCK
    (S. 304)
    In Rucksäcken, in der Wohnung griffbereit:
    Starke, warme, regensichere Bekleidung, Leibwäsche, Socken und Strümpfe zum Wechseln, Kopfbedeckung, Halstuch und Handtuch (Strahlenschutz), Taschentücher, hohe Schuhe, Pantoffeln, Wolldecke oder Schlafsack, Toilettenartikel, Klosettpapier, Gasmaske, Schutzbrille, Ersatzbrille für Brillenträger, Taschenlampe mit Ersatzbatterien, Nähzeug, Taschenapotheke, Schnüre, Schuhriemen, Sicherheitsnadeln, Kerzen und Zündhölzer, Kochgeschirr, Gamelle oder Campingkocher, Feldflasche, Taschenmesser und Besteck, Batterie-Radio mit Ersatzbatterien, Plastictücher.
    Notvorrat für zwei Tage, staub- bzw. gasdicht verpackt:
    Leichte konzentrierte Lebensmittel wie Knäckebrot, Zwieback, Suppenkonserven, Schachtelkäse, Trockenfleisch, Fleisch- und

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