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Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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Fischkonserven, Schokolade, Zucker, Tee, Sofortkaffee, Dörrfrüchte, Milchpulver oder Kondensmilch.
    Mäppchen, enthaltend:
    Persönliche Ausweispapiere, AHV-Ausweis, Rationierungskarten, Versicherungspolicen, Krankenkassenbüchlein, Berufsausweise, Geld und Wertpapiere, Zivilverteidigungsbuch, Erkennungsmarken des Roten Kreuzes für Kinder.
    SCHUTZRAUMVORRAT
    (S. 305)
    Für den Kriegsfall und bei radioaktiver Verstrahlung:
    …
    Die Lebensmittel sind im Schutzraum in Originalpackungen, Plasticbeuteln oder Büchsen strahlensicher und trocken zu lagern. Sie sind gelegentlich zu wenden und jährlich oder nach Vorschrift auf den Packungen auszuwechseln. Die Schaffung spezieller Vorratspakete ist in Prüfung. Genauere Informationen darüber erfolgen zu gegebener Zeit über Presse, Radio und Fernsehen.
    VATERLANDSLIEDER
    (S. 314)
    »Rufst du, mein Vaterland
    sieh uns mit Herz und Hand
    all dir geweiht.
    Heil dir, Helvetia!
    Hast noch der Söhne ja
    wie sie St. Jakob sah,
    freudvoll zum Streit.
    Da, wo der Alpenkreis
    dich nicht zu schützen weiß –
    Wall dir von Gott –
    stehn wir, dem Felsen gleich,
    nie vor Gefahren bleich,
    froh noch im Todesstreich,
    Schmerz uns ein Spott.«
     
    (Aus: ZIVILVERTEIDIGUNG, herausgegeben vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement im Auftrag des Bundesrates, Geleitwort von Bundesrat L. von Moos. Das handliche Buch in einem haltbaren Leineneinband wird kostenlos an sämtliche Haushaltungen verschickt in allen Landessprachen.)

Japan
    Kein Geheimnis; aber wie erkläre ich es genau: – Abflug von Kopenhagen noch bei Tageslicht; Grönland unter den Wolken, man erfährt es durch den Lautsprecher; es wird einfach nichtdunkel; einmal eine Stunde lang Arktis; die Dämmerung kann Morgen oder Abend meinen, und ich weiß nicht, wo jetzt Norden ist, ob es heute oder gestern ist; Gebirge von Alaska, aber die Sonne steht nie, wo ich sie erwarte; in Anchorage zeigen die Uhren schlichterdings Mittag; dann fliegen wir weiter, aber wieder in der Zeit zurück; wieder nur Wolken viele Stunden lang; ich schreibe Dir einen Brief, bis er plötzlich da ist; der FUJI, seine weiße Spitze im blauen Himmel wie auf Plakaten; auch Japan unter Wolken; wieder einmal soll man sich anschnallen … Einen Monat später, als die Maschine (sie melden es nicht durch den Lautsprecher) über Vietnam fliegt, ist es Nacht und Nacht in Bombay, eine warme Nacht, immer noch Nacht in Athen, und als sie in Kloten landet, geht gerade die Sonne auf: pünktlich im Osten, wo ich herkomme. Erzähle! Das tue ich; plötzlich gewinnt die Reise ihren Sinn.
     
     
    Zeitungen gelesen, nachher das Gefühl: Es geschieht eigentlich nichts. Getrost an die Arbeit; nochmals Versuche mit dem Theater … Die TV-Nachrichten abends bestätigen, daß nichts geschehen ist: Am Suez ist wieder geschossen worden, Tote; die Vietnam-Konferenz in Genf. Das alles weiß man. Endlich der Wetterbericht, Hochdruck verschiebt sich wie üblich, Aussichten für Donnerstag und Freitag, nachher wieder das Gefühl: Es geschieht nichts, wenigstens nichts, wovon ich überhaupt keine Ahnung habe –
    Lektüre:
    Zehn Jahre kubanische Revolution. Daten. Es beginnt mit dem 25. 11. 1956, Einschiffung im mexikanischen Hafen Tuxpan, eine Jacht mit 82 Revolutionären überquert den Golf, unbemerkt von aller Welt. Landung am Strand von Las Coloradas in der kubanischen ProvinzOriente am 2. 12. 1956. Sie werden bemerkt und versprengt; am 5. 12. 1956 bleibt noch eine Gruppe von 12 Partisanen, die Kuba befreien wollen. Später habe ich vermutlich in der Zeitung gelesen von Banditen, von rechtmäßiger Regierung als Herr der Lage; drei Jahre später, 1959, vermutlich auf der ersten Seite: Flucht von Batista. Irgendwann einmal das erste Foto von dem bärtigen Banditen. (Ich überlege während der Lektüre, was mich 1959 beschäftigt hat.) Ab und zu wieder Nachrichten aus Kuba: Hinrichtungen. So prägt sich der Name ein: Castro. Offenbar ein wilder Diktator, diesmal kommunistisch; daher der USA-Boykott gegen Kuba, alles durch Kommentare verständlich: Castro verstaatlicht, aber das bewirtschaftete Land (Tabak, Zucker) gehört meistens amerikanischen Staatsbürgern, Castro spricht von langfristiger Entschädigung, aber nicht von einer Garantie, daß Kuba eine Profit-Kolonie bleibt; die amerikanischen Investitionen in Gefahr, Enteignung durch Gewalt, Gefahr für die freie Welt. Ab und zu wieder Nachrichten, die nicht überraschen, nur bestätigen: die katastrophale

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