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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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ziemlich.«
    Er lächelte. »Gutes Fleisch ist in der Hölle rar.«
    »Aber andere Menschen zu essen! Andere Menschen zu töten! Quälen die Dämonen uns denn nicht schon genug, ohne dass wir uns gegenseitig so etwas antun?«, ereiferte ich mich.
    Der Mann hielt seine feisten Hände in die Höhe. Er war stämmig, hatte einen dicken Hals und sah aus, als habe er zu Lebzeiten das eine oder andere Steak genossen. »Hey, hey … beruhig dich wieder … Vielleicht gibt’s auch Metzger, die sich ihr Fleisch nicht von freiwilligen Opfern holen, aber Walsh tut so etwas nicht. Alle seine Waren wurden freiwillig abgegeben. Er bezahlt gutes Geld dafür.«
    »Du meinst … die Leute verkaufen ihre eigenen Körper?«
    »Sicher. Warum auch nicht? Sich den Kopf abhacken zu lassen, ist zwar beileibe kein Zuckerschlecken«, er hob die Schultern, »aber der Körper wächst ja wieder nach, nicht wahr? Und wenn man wirklich verzweifelt Geld braucht, ist das eine gute Möglichkeit, sich ein nettes Sümmchen zu verdienen.«
    »Das ist verrückt! Ich kann nicht glauben, dass irgendjemand sich so erniedrigen und seinen Körper verkaufen würde … geschweige denn, den Körper eines anderen Menschen essen würde!«
    »Hey, wir tun eben, was wir tun müssen.«
    »Aber wir müssen nicht essen, um zu überleben!«
    »Hier sind die Dinge ein wenig anders. Das wirst du noch feststellen, wenn du länger hier bist.«
    »Siehst du nicht, dass wir unseren Stolz dringender brauchen als etwas zu essen?«
    »Tun wir das? Warum? Wie dem auch sei«, er deutete mit dem Daumen auf den Laden, »es ist ja nicht wirklich Fleisch, oder? Es ist eine Illusion. Eine Kopie.« Er zwinkerte mir zu. »Und frisch vom Grill schmeckt es köstlich.« Und damit schob er sein eigenes massiges Fleisch durch die Ladentür.
    Ich hielt meinen Kopf mit beiden Händen, ganz fest, weil ich beinahe fürchtete, die Verzweiflung meines Gewehrschusses könnte jeden Moment zurückkehren, und dann stolperte ich so schnell ich konnte die Straße hinunter. An der Straßenecke entdeckte ich eine Bäckerei, die einige ihrer Waren auch im Freien ausstellte: Körbe und Schalen voller Brötchen, Teilchen und Brotlaibe. Aus der Nähe rochen sie einfach himmlisch, und mein Magen rumorte so sehr, dass es wehtat. Ich machte die Frau, die hinter den Körben saß, auf mich aufmerksam.
    »Ich möchte gerne etwas«, stammelte ich, »aber ich habe kein Geld. Würden Sie auch gegen irgendetwas tauschen?« Ich schwang meinen Büchersack von meiner Schulter und öffnete ihn. »Ich habe ein paar Klamotten …«
    Sie zuckte zusammen und entschuldigte sich aufrichtig: »Es tut mir leid, aber wir machen keine Tauschgeschäfte. Siehst du das Gebäude da unten? Mit dem Efeu?« Sie zeigte darauf und ich schaute hin. Über den Dächern der kleinen Ziegelhäuser des Wohnslums erhob sich ein kolossales Gebäude, das aus schwarzem Marmor zu bestehen schien und nur über wenige Fenster verfügte. Einige von ihnen wirkten wie Löcher in der violetten Efeudecke, die seine Fassade komplett bedeckte. »Das ist die Bank«, fuhr sie fort. »Dort nehmen sie Tauschwaren an. Die Kleidung akzeptieren sie vermutlich, wenn sie nicht zu schäbig ist.«
    »Danke«, murmelte ich. Für einen flüchtigen Augenblick stellte ich mir vor, wie ich meinen Kopf auf einen Holzblock legte, während ein Mann in einer verkrusteten Schürze sein Hackmesser erhob. Wieso sollte Geld nicht auch in der Hölle von Bedeutung sein? Zu Lebzeiten war es für mich eine der tiefsten Sorgenquellen gewesen. Wie es aussah, musste ich mir einen Job suchen. Mir kamen, auch wenn ich mich bisher mit aller Gewalt gegen das Konzept gewehrt hatte, sofort wieder die Folterfabriken in den Sinn. Dies war der Grund, weshalb Bäckereien, Lebensmittelmärkte und ähnliche Annehmlichkeiten geduldet wurden: Wir mussten leiden und anderen Leid zufügen, um uns diese Dinge leisten zu können, wenn uns danach war.
    Ja, ich hatte ein paar Klamotten, die ich eintauschen konnte … aber die Kleidung, die ich im Moment trug, war inzwischen völlig zerrissen, blutig und von Asche und Schweiß ganz schmutzig – ganz zu schweigen davon, dass sie bereits für diesen Mann auf dem Köpfe-Feld vor Caldera eine Quelle der Erheiterung gewesen war, da es sich dabei um die Uniform der Avernus-Universität handelte, die mich als offensichtlichen Neuling kennzeichnete. Ich beschloss, mir frische Kleider anzuziehen und nur das einzutauschen, was danach noch übrig blieb. Ich zwang mich, mir

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