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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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ins Gedächtnis zu rufen, dass ich nicht wirklich etwas essen musste, auch wenn mein Körper mir noch so vehement etwas anderes einreden wollte.
    Die Gebäude in diesem Teil der Stadt standen so dicht aneinandergedrängt, dass sich zwischen ihnen nur sehr wenige Gassen befanden, aber schließlich fand ich doch noch eine, in die ich gerade so hineinpasste. Auch wenn die Dämonen hier nackt durch die Gegend spazierten und stolz ihre kraftvollen Körper präsentierten, war ich zu schüchtern, um mich mitten auf der Straße umzuziehen.
    Auch der letzte kleine Winkel in der Gasse war mit Abfall, Glas- und Keramikscherben überfüllt. Ein alter Mann saß unter einem großen ausgemusterten Teppich, den er trotz der sommerlichen Wärme in den Straßen – möglicherweise eine Folge des Lavahimmels über uns – wie ein Zelt um sich gewickelt hatte, und blinzelte mich an. Nicht einmal in dieser winzigen Ecke gab es ein wenig Privatsphäre.
    Ich schlüpfte in eine dunkelbraune Hose, die ein wenig sackartig an mir aussah, ein hellbraunes T-Shirt, ebenfalls etwas zu weit, und dazu saubere Socken und Unterwäsche. Der alte Mann streckte eine Hand aus seinem übel riechenden Nest – ich verstand, was er wollte, und reichte ihm meine alten Klamotten. Als ich wieder auf die Straße hinaustrat, fühlte ich mich zumindest ein wenig besser in meiner Haut. Schließlich musste ich annehmbar aussehen, wenn ich einen Job finden wollte. Annehmbar zu riechen lag für den Moment noch außerhalb meiner Möglichkeiten. Ich schwitzte zwar, aber wenigstens musste ich nicht auf die Toilette gehen, solange ich nichts aß.
    Direkt vor mir kehrte eine Frau die Eingangstreppe eines großen Gebäudes und wirbelte dabei eine graue Wolke auf. Mir war inzwischen aufgefallen, dass hier sehr viel gekehrt wurde und dass sich zwischen den Pflastersteinen in den Straßen und Gassen jede Menge pudrige Asche ansammelte. Hier schien wirklich alles staubig zu sein, selbst die Einwohner. Ich fragte mich, ob Stürme wohl häufig vulkanische Asche in die Stadt wehten – vielleicht stammte sie ja sogar von dem Vulkanausbruch, den ich selbst miterlebt hatte.
    Bevor ich mich jedoch auf die Suche nach einem Job begab, wollte ich mein Glück noch auf der Bank versuchen und machte mich auf den Weg in die entsprechende Richtung. Ich bog auf eine der selteneren breiteren Straßen ein, in deren Mitte ebenfalls Schienen verliefen. Nach wie vor hatte ich jedoch weder eine Straßenbahn noch einen Zug gesehen.
    Zwei Sphinxen aus schwarzem Marmor, die aussahen wie zweibeinige Löwen mit Adlerschwingen, wohlgeformten Frauenbrüsten und bloßen menschlichen Schädeln, flankierten den Torbogen am Vordereingang der Bank. Aus ihren geschorenen Marmorschädeln flackerten grell-violette Flammen empor. Als ich die gläsernen Ebenholzstufen hinaufstieg, fürchtete ich beinahe, einer dieser Giganten könnte zum Leben erwachen, mich packen und in seinen brennenden Schädel stopfen.
    Das Innere der Bank schien hauptsächlich aus einem riesigen, hallenden Raum mit hoher Decke zu bestehen. Entlang der Wände reihten sich kleine offene Büros aneinander, und zahlreiche Menschen standen in Warteschlangen, um entweder an den Hauptschalter treten zu dürfen oder in einer der kleinen Kabinen an der Seite empfangen zu werden. Sämtliche Angestellte schienen verdammte Seelen zu sein, und nur die Eingangstür wurde von zwei nackten Dämonenkriegern flankiert, die nichts als ein Schwert in einer Scheide und einen langen Speer trugen. Je ein weiterer dieser Dämonen stand an den beiden Enden des langen Hauptschalters. Von der Decke hing eine Art riesiger schwarzer Vogelkäfig, in dem – wie eine eingesperrte Sonne – eine etwas kleinere Version der sechs ruhig lächelnden, orange leuchtenden Aufseher steckte, die in ihren Wachtürmen die Stadt umringten.
    Nachdem ich die unterschiedlichen Transaktionen aus der Entfernung beobachtet hatte, entschied ich mich für eine der Warteschlangen – keinen Moment zu früh, da es aussah, als wolle einer der Dämonenwärter mir einen Stoß mit seiner Lanze verpassen. Einige der Kassierer holten kleine Beutel voller Münzen aus Regalen oder Schränken und reichten sie über den Schalter, sodass ich davon ausging, dass die Einwohner darauf vertrauen konnten, dass ihre Ersparnisse hier auch wirklich sicher waren. Nun, wenn man hier tatsächlich so schwer zu Geld kam, war es sinnvoll, es vor den restlichen Bewohnern zu schützen. Andere Kassierer wiederum nahmen

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