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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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Das darf ich niemals vergessen, ganz gleich, wie schön sie ist. Warum ich gehofft habe, sie wiederzusehen, ist mir ein Rätsel.
    Der Regen lässt allmählich nach …

Fünfundfünfzigster Tag
    Ich bin so müde von der Arbeit, dass ich eigentlich nicht einmal mehr die Energie habe, etwas aufzuschreiben. Es ist nicht so, dass die Arbeit anstrengend wäre, nur furchtbar einschläfernd. Ich bin nicht viel mehr als ein Roboter …
    Auf meinem Fließband befindet sich auch eine grüne Markierung. Ich glaube, es gibt nur diese eine, aber vielleicht sehe ich auch mehrere, die einfach nur sehr weit auseinanderliegen. Steht irgendwo noch ein Arbeiter, der seinen Hebel bei dieser allem Anschein nach ebenso einsamen Markierung betätigt? Ich würde sagen, dass mir die grüne Markierung einmal pro Stunde begegnet. Und ich bin sehr versucht, meinen Hebel umzulegen, wenn sie auf die rote Marke trifft, die in die Begrenzung geritzt ist, nur um zu sehen, was dann passiert. Wenn mir jemand sagen würde, dass ich dadurch die gesamte Hölle in einer Kernexplosion in die Luft jagen könnte, durch die alles restlos verglühen würde, dann würde ich es tun. Ich würde diesen Hebel umlegen. Ich würde abdrücken.

Siebenundfünfzigster Tag
    Weil ich mich langweile und in eher sardonischer Stimmung befinde, habe ich beschlossen, jeden Tag hier zum 31. Oktober zu machen, und deshalb habe ich auf dem Markt zwei weiße Kürbisse gekauft, sie ausgehöhlt, böse Gesichter hineingeschnitzt und Kerzen reingestellt. Einer von ihnen steht auf meinem Nachttisch, der andere im Fenster, mit Blick nach draußen. Ich habe ihn von der Straße aus bereits mit großer Zufriedenheit betrachtet. Es gefällt mir, mich auf meinem Bett auszustrecken, das Zimmer nur von meinen Kürbislaternen beleuchtet, und dabei zuzusehen, wie wässrige, heiter-orangefarbene Lichtfiguren über Decke und Wände flackern.
    Das Mädchen, das hier arbeitet, macht auch mein Zimmer sauber. Sie hat mich noch einmal gefragt, ob ich möchte, dass sie mich nachts besuchen kommt. Ich habe erneut abgelehnt, aber dieses Mal fiel es mir schwerer. Die Hölle kann dir das antun. Die Hölle schneidet dir deinen Sinn für Entrüstung förmlich aus dem Leib, aber im Gegensatz zu deinem Fleisch wächst er nicht wieder nach.
    Wenn ich mich noch einmal umbringen könnte, würde ich es tun.

Sechzigster Tag
    Heute habe ich zum ersten Mal Engel aus der Nähe gesehen.
    Meine Schicht war gerade zu Ende und ich bog in meine Straße ein, als in der Ferne ein tiefes Donnern widerhallte. Für echte Donnerschläge klang es jedoch zu mechanisch, und an die verschiedenen Geräusche der Wolkenkratzer-Maschine, in deren Schatten mein Hotel stand, hatte ich mich bereits gewöhnt – daher konnte es also auch nicht stammen. Auch wenn einige Geräusche des Wolkenkratzers recht bedrohlich sein konnten und mich oft aus dem Schlaf rissen, war dieses Geräusch noch viel beunruhigender, weil mit jedem Donnern mein Gefühl anwuchs, dass es sich mir näherte . Und es klang irgendwie … vertraut.
    Es war schon eine Weile her, dass ich das Dröhnen von Motorrädern gehört hatte. Einer ganzen Meute von Motorrädern.
    Als ich das Geräusch erkannte, fühlte ich mich umgehend in meine Heimatstadt Eastborough in Massachusetts zurückversetzt. Vor ein paar Jahren war dort ein Mädchen, das auf dem Motorrad seines Vaters mitfuhr, getötet worden, als ein betrunkener Autofahrer das Motorrad von der Straße drängte. Jedes Jahr, an ihrem Todestag, hatten sich die Biker der Region zu einer traurigen, dröhnend lauten Parade versammelt, die durch das Stadtzentrum zum Friedhof Stone Grove führte, auf dem das Mädchen beerdigt worden war. Ja … dieses Geräusch hörte sich ganz genauso an.
    Als der erste Motorradfahrer laut knatternd in meine Straße einbog, war ich so erschlagen von der Erscheinung des Fahrers, dass ich seinem Motorrad nur wenig Beachtung schenkte – ich hätte nicht sagen können, ob es sich um ein irdisches Modell oder etwas Ausgefalleneres, Exotischeres, Himmlischeres, aber dennoch Materielles handelte. Da ich nie zu den Männern gehört habe, die beim bloßen Anblick von Autos, Trucks und anderen Penisverlängerungen sofort einspeicheln, schätze ich, dass die Motorräder für mich einfach wie große, schwarze, chrombesetzte Insekten aussahen.
    Obwohl die Motorräder einheitlich schwarz waren, galt für ihre Fahrer das genaue Gegenteil. Ich wusste sofort, was sie waren, als ich den Ersten von ihnen

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