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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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sah.
    Einige von ihnen trugen eine Art Mönchskutten, deren Kapuzen oder Hauben ihre Köpfe bedeckten oder über ihren Rücken fielen. Andere, etwa der erste Fahrer, trugen hohe, kegelartige Hauben, die entweder das gesamte Gesicht oder nur die Augen durch zwei Löcher im Stoff erkennen ließen. Einige ihrer Gewänder schimmerten wie Satin, während andere aus schlichten Stoffen bestanden … aber alle Fahrer waren komplett in Weiß gekleidet.
    Als auch der Letzte an mir vorbeigedonnert und über die holprig gepflasterte Straße gerumpelt war, erkannte ich, dass ich unbewusst so weit auf den Bürgersteig zurückgewichen war, dass meine Schulterblätter die Ziegelmauer eines der trostlosen, staubigen Gebäude berührten, die die Straße säumten. Ein paar der Engel hatten mir ihre Köpfe zugewandt und mir zugejohlt, aber glücklicherweise hatte keiner von ihnen angehalten, um mich zu behelligen. Vielleicht steuerten sie ja ein ganz bestimmtes Ziel an. Wie dem auch sei, es schien, als hätten sie bereits ihren Spaß gehabt: An mehr als einem von ihnen erkannte ich Blutflecken, die sich auf den weißen Stoffen besonders deutlich abzeichneten. Einige hatten Schwerter bei sich gehabt, genau wie die Dämonenkrieger von Oblivion, und jeder von ihnen trug ein Halfter mit einer Pistole an einem schwarzen Ledergürtel. Die meisten hatten außerdem Gewehre oder eine Maschinenpistole auf ihren Rücken geschnallt oder andere Waffen mit sich geführt, die in langen Säcken aus festem, schwarzem Leder steckten – wie Cowboys, die ihre Gewehre an ihrem Sattel befestigten.
    Ich könnte schwören, dass einer von ihnen auch eine Armbrust trug.
    Zum Glück verhallte das Donnern nun allmählich, aber allein zu wissen, dass sie sich immer noch innerhalb der Stadtmauern befanden, so weitläufig diese auch sein mochten, beunruhigte mich bereits. Ich bedauerte jeden, der ihnen näher kam als ich selbst. Anfangs hatte ich angenommen, sie seien auf dem Weg zur Voliere.
    Die Voliere war eine lange Straße, die ich erst kürzlich entdeckt hatte, als ich die Stadt in meiner Freizeit erkundete. Die Ziegelgebäude, die sich auf ihrer gesamten Länge aneinanderreihten, glichen zwar den Läden in anderen Häuserblocks, aber statt Glasscheiben hatten sie Käfigfronten aus Hasendraht, netzartigem Maschenseil oder Eisenstangen, die teilweise so robust waren wie die einer Gefängniszelle, teilweise jedoch so filigran und blumig wie die Geländer verträumt-romantischer Terrassen. Bei der Ware, die in diesen diversen Vogelkäfigen ausgestellt war, handelte es sich um Prostituierte in noch bunterer Vielfalt: weiß, schwarz, asiatisch. Nackt oder bekleidet. Anorektisch oder übergewichtig. Grauhaarig oder jugendlich. Weiblich oder – wenn auch in geringerer Anzahl – männlich.
    Die meisten Bewohner dieser Menagerie schienen wohl freiwillige Gefangene zu sein, die Passanten wie mir zuzwinkerten, etwas zuzwitscherten oder zuriefen, ihre Brüste entblößten, ihre Beine spreizten oder sich vornüberbeugten, um ihren Hintern zu präsentieren. Es gab aber auch andere, die unglücklich, verzweifelt, ja, sogar entsetzt aussahen, und ich nahm an, dass es sich bei ihnen um die Opfer anderer verdammter Seelen handelte, die sie ebenso ausbeuteten wie mein Vermieter allem Anschein nach seine junge Aushilfe. Ganz gewiss aber waren sie alle Opfer ihrer eigenen verzweifelten Not. Trotz der offen zur Schau gestellten »heimlichen Vergnügen« war diese Ausstellung letzten Endes nichts anderes als eine Straße voller Körper, die sich an Marterpfählen wanden. Ich bin seither nie wieder dort gewesen.
    Nein, dachte ich dann jedoch … dort sind die Engel nicht hingefahren. Wo wäre denn da der Spaß? Lieber Zerstörung über all jene bringen, die ihre Körper nicht freiwillig verkauften. Und Frauen durch die Straßen jagen oder mit Gewalt aus ihren Häusern ziehen und vor den Augen ihrer Männer vergewaltigen.
    Man hat mir erzählt, dass nicht wenige Menschen in der Hölle heiraten, wobei die Zeremonien heimlich von ehemaligen Friedensrichtern oder gelegentlich auch von Pfarrern durchgeführt werden, die bei ihrer Wiedergeburt ein böses Erwachen erlebten. Und obwohl Zeugungen in der Hölle unmöglich sind, gibt es hier dennoch zahlreiche Kinder, und es ist nicht ungewöhnlich, dass verheiratete Paare diese Kinder adoptieren. Verhaltensweisen wie diese geben mir im selben Maße wieder Zutrauen, wie ein Ort wie die Voliere mich desillusioniert. Darum ist dies auch genau

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