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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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mir kommen – später, nachdem sich die Aufregung ein wenig gelegt hatte. Sie kam aber nicht. Ich schätze, es ist töricht gewesen, ernsthaft daran zu glauben …
    Als ich ihr im Blue erklären wollte, wo ich wohnte, hatte sie behauptet, sie wisse es bereits. Selbst wenn eine Art statistisches Amt der Dämonen genau aufzeichnet, wo Oblivions Bürger wohnen, was ich stark zu bezweifeln wage, wieso sollte Chara dann ausgerechnet speziell über meine Wohnsituation Bescheid wissen? Es sei denn, sie hätte sich darüber informiert. Oder – und das war gleichzeitig realistischer und unwahrscheinlicher – sie hatte mich beobachtet und war mir eines Tages gefolgt, als ich zurück zu meinem Hotel lief.
    Nachdem ich meinen gestrigen Tagebucheintrag noch einmal gelesen habe, um mir die Abfolge der Ereignisse im Blue besser ins Gedächtnis zurückrufen zu können, frage ich mich, ob Chara die Engel aus Verachtung über deren Verhalten ihr selbst gegenüber angegriffen hat oder aber, um mich vor ihnen zu beschützen, nachdem sie angedroht hatten, mich in eines ihrer Folterzentren zu verschleppen. Natürlich trifft beides zu. Aber sie handelte erst, als die Waffe auf mein Gesicht gerichtet war. Aber ich hätte mich doch schnell wieder von einer Kugel erholt. Auch jahrelanges Leiden in einer Folterfabrik hätte ich überlebt. Doch Chara … hätte man ihr während des Kampfes ins Gesicht geschossen, hätte sie es nicht überlebt. Genauso wenig wie Verdelet sich hatte regenerieren können. Ich kann nur hoffen, dass Chara jetzt nicht bereut, mich beschützt zu haben. Oder mich sogar verachtet, weil ihre Partnerin ihr Leben verloren hat.
    Ich ging heute zur Arbeit, als sei dies ein Tag wie jeder andere, obwohl ich unterwegs ständig über die Schulter schaute, immer in der Angst, es könnten Engel auf Motorrädern – Hell’s Angels – um die nächste Ecke rasen, weil sie nach Rache dürsteten.
    Nach meiner langen, einschläfernden Schicht bestand mein Kollege Larry darauf, mich zu begleiten, obwohl ich mein Bestes getan hatte, um seine hundeähnliche Aufmerksamkeit zu dämpfen. Seine Versuche, meine Freundschaft zu gewinnen, gaben mir das Gefühl, ich sei eine Frau mit einem unerwünschten Verehrer. Er wollte einen Happen mit mir essen gehen – ich hingegen wollte nichts weiter, als mich in meinem Tollhaus von einem Hotel zu verstecken, die Kerzen in den Kürbissen anzuzünden und eine weitere Nacht in einer endlosen Kette von Halloween-Nächten zu verbringen.
    »Hey«, zwitscherte Larry, der nun schon beinahe verzweifelt versuchte, mich irgendwie mitzureißen, »hast du mitgekriegt, dass sie fünf Typen geschnappt haben, die einen Dämon vergewaltigt und an einem Baum gekreuzigt haben? Ich hab gehört, sie foltern sie öffentlich … sie statuieren wirklich ein Exempel an ihnen …«
    Damit gewann Larry schließlich doch meine ganze Aufmerksamkeit. Ich blieb stehen und sah ihn an. »Wo hast du das gehört?«
    »Von Jarrod, bei der Arbeit. Er hat sie gestern gesehen. Sie werden öffentlich zur Schau gestellt. Jarrod hat gesagt, sie werden sie noch jahrelang ausstellen, nach allem, was die getan haben.«
    »In welcher Folterfabrik sind sie?«
    »In der unten beim Müllentsorgungszentrum. Willst du mitkommen und sie dir ansehen?«
    »Ja … klar. Schauen wir sie uns mal an.«
    »Klasse!«
    Um das Müllentsorgungszentrum zu finden, musste man nur seiner Nase nachgehen. Es war riesig und verfügte über Hunderte von Angestellten, doch ich verspürte nicht den geringsten Wunsch, herauszufinden, was deren Job war … obwohl ich gehört hatte, dass manchmal Bürger tief im Inneren angekettet und gezwungen wurden, die Abfälle der Stadt zu vernichten, indem sie sie aßen – als Bestrafung. Vielleicht wurden sie ja von der Folterfabrik nebenan hierher geschickt.
    Sowohl das Müllentsorgungszentrum als auch die Folterfabrik standen an einer weiteren dieser ungewöhnlich breiten Straßen, in deren Mitte Schienen für Züge verliefen, die ich allerdings nach wie vor noch nie gesehen hatte. Ich fragte Larry danach.
    »Oh, die sind für die Schwarze Kathedrale.«
    »Oh. Und was ist das?«
    »Das ist eine Kirche, die durch die Stadt fährt, ein paar Tage in einer Straße hält und dann wieder weiterzieht. Ich hab gehört, sie ist sogar wie eine U-Bahn an ein unterirdisches Schienennetz angeschlossen und fährt auch in andere Städte.«
    »Wozu?«
    »Die Leute werden eingesammelt und in die Kirche gebracht. Mir ist das aber noch nie passiert

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