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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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– klopf auf Holz.« Er klopfte sich an die Stirn. »Drinnen foltern sie dich. Wofür sollte sie wohl sonst sein? Aber da machen sie es auf die Psycho- Tour.«
    Ich nickte und hoffte, niemals Näheres darüber erfahren zu müssen.
    Da ich gerade von Bestrafungsinstituten spreche: Vor mir erhob sich nun die größte Folterfabrik, die ich je in Oblivion gesehen hatte – ein Wolkenkratzer, der schon schwindelig machte, wenn man ihn nur von unten betrachtete. Er war viel größer als der fabrikähnliche Bau mit den Zwillingsschornsteinen neben dem Gefängnis, in dem man mich kurze Zeit festgehalten hatte. Die Flanken des Gebäudes schienen weitgehend mechanisch zu sein, und Fenster gab es kaum. Ich sah abgeschlossene, bewegliche Räume, die wie Außenfahrstühle an den Mauern hinauf- und hinunterfuhren und manchmal sogar quer über das mächtige Gebäude wanderten, bevor sie an ihren Platz rutschten. Aus Dutzenden von Gittern und Öffnungen zischte Dampf, und zähe, grünliche Schmiere ölte unzählige Zahnräder, Kurbelwellen und Ketten, die so immens waren, dass man mit Leichtigkeit ein Schlachtschiff an ihnen hätte vertäuen können.
    Direkt hinter diesem Wolkenkratzer stand ein weiteres, ähnlich imposantes Gebäude. Larry klärte mich auf, dass dies die Hauptkaserne der Dämonen war. Sie führten dort drinnen kein übles Leben, sofern man das nach dem bisschen beurteilen konnte, was die wenigen, handverlesenen menschlichen Bediensteten berichteten, denen es erlaubt wurde, dort zu arbeiten. Larry meinte, er würde aber ebenso gern der Dämonenstadt Tartarus einen Besuch abstatten wie auch nur einen Fuß in diesen ominösen schwarzen Turm setzen.
    Der Folterturm bestand aus verschiedenen terrassenartigen Bauten, diversen Stockwerken oder Schichten, die mit zunehmender Höhe des Gebäudes immer schmaler wurden, es also keilförmig zulief, wie bei einem sehr spitzen babylonischen Tempelturm. Auf der untersten, breitesten dieser Terrassen wurden die fünf Gefangenen zur Schau gestellt. Es hatte sich bereits eine kleine Gruppe von Passanten versammelt, die ihre Hälse reckten und ihre Augen mit halb angsterfülltem, halb morbidem Ausdruck vor dem glühenden Himmel abschirmten.
    Die Gefangenen waren gleichmäßig über den vorderen Rand dieses Absatzes verteilt, direkt über den mächtigen Eisentüren des Haupteingangs der Fabrik. Im selben Moment, in dem wir eintrafen, wurden sie hingerichtet. Zum wiederholten Mal.
    Einer der Männer saß auf einem Stuhl, die Handgelenke an die Armlehnen gefesselt, die Knöchel an die Stuhlbeine, eine Schlinge um den Hals. Eine Falltür öffnete sich, er stürzte hinunter, schaukelte und drehte sich und wurde auf seinem Stuhl hin und her gerissen, sodass er würgte und beinahe erstickte, bis er schließlich das Bewusstsein verlor. Vielleicht lag es an der Art und Weise, wie die Schlinge um seinen Hals geknotet war oder an der geringen Tiefe des Falls oder vielleicht gab es auch irgendeinen anderen Grund, jedenfalls war dies kein schnelles, gnädiges Erhängen. Sobald der Mann jedoch das Bewusstsein verloren hatte, wurde er mitsamt dem Stuhl zurück nach oben gezogen, die Falltür schloss sich wieder und sie stellten den Stuhl wieder darauf ab. Irgendwann würde der Mann dann wieder vollständig heilen, sich erholen, wiedererwachen … nur, um alles von Neuem durchzumachen. Und das würde, wie Larry ständig wiederholte, mindestens ein Jahr so weitergehen. Wer weiß … vielleicht auch zehn. Oder vielleicht sogar für Generationen.
    Ein weiterer Mann saß auf einem ähnlichen Metallstuhl, bei dem es sich jedoch um einen elektrischen Stuhl handelte. Wir konnten sein brennendes Fleisch riechen, während er entsetzlich auf seinem Stuhl zitterte und die Luft von den heftigen Stromstößen so laut knisterte, dass ich spürte, wie sich mir die Haare an meinen Armen aufstellten – trotz der relativ großen Entfernung. Wir sahen die Augen des Mannes zerplatzen. Blut quoll in dicken Strömen hervor und beschmutzte sein ohnehin schon vollkommen blutverschmiertes Hemd noch mehr. Auch die Augen würden wie ganzjährige Pflanzen immer wieder nachwachsen. Und erneut geerntet werden. Der endlose Kreislauf von Tod und Wiedergeburt. Yin und Yang.
    Auch die anderen Männer litten durch ganz ähnliche Pseudohinrichtungen: eine Guillotine – dieses Opfer brauchte natürlich länger als der Erhängte, um sich zu erholen – und eine Gaskammer aus dickem Glas, die ein wenig aussah wie eine Telefonzelle.

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