Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
Vom Netzwerk:
Massachusetts.«
    »Kleinstadtjunge.«
    »Ziemlich klein, ja.«
    »Ich bin mal in Boston gewesen, auf einer Konferenz. Nette Altstadt.«
    »Mm-hm.«
    Turner lehnte sich wieder ein Stück nach vorne. »Sie haben diese Dämonin gerettet, wie ich höre, als Sie ihr zufällig auf Ihrem Weg nach Oblivion begegneten.«
    »Ja. Ich habe sie an einen Baum genagelt gefunden, mit einem Speer im Körper. Sie war schwach und wäre vielleicht gestorben. Ich schätze, ich hatte Mitleid mit ihr.«
    »Mit einem Dämon. Interessant.«
    »Ich hatte noch nie zuvor einen wie sie getroffen. Von der menschlichen Sorte. Das hat mich irgendwie … beeinflusst, schätze ich. Wenn ich früher schon mal welche getroffen hätte … von ihnen misshandelt worden wäre … ich weiß nicht … vielleicht hätte ich es dann nicht getan … ich weiß es nicht.«
    »Nun, es war eine noble Geste. Sie müssen nicht versuchen, sie rational zu erklären.«
    »Danke.« Ich verspürte das Bedürfnis, mich umzudrehen und diesen fleischgewordenen Geist anzustarren.
    »Wussten Sie, dass die fünf Männer gefasst wurden, die ihr das angetan haben?«
    »Ja, Sir – ich habe sie gestern gesehen.«
    »Wie haben Sie davon erfahren?« Hatten sich seine Augen eben wirklich ein winziges bisschen verengt? Was dachte er denn, wo ich von der Gefangennahme der Männer erfahren hatte?
    »Ein Kollege hat es mir erzählt. Er hat mich mitgenommen, damit wir sie uns mal ansehen können.«
    »Ich verstehe.«
    »Ich habe nie erfahren, was sie da draußen gemacht hat, im Wald, als sie sie geschnappt haben«, sagte ich wahrheitsgemäß, in der Hoffnung, er würde mich aufklären.
    »Der Dämon Chara und ein paar andere haben eine Bande von Menschen aufgestöbert, die im Wald zelteten. Eine kleine Zigeunerbande von Tunichtguten. Sie hatten kurze Zeit zuvor einen Aufseher und dessen Assistenten getötet, vielleicht auch ein paar andere Dämonen. Scheinbar haben diese Männer daraus so etwas wie ihren Beruf gemacht. Ich schätze nur, ihr größter Fehler war, dass sie eines ihrer Opfer am Leben ließen, sodass es sie identifizieren konnte. Als Charas Gruppe das Lager der Menschen überfiel, rannten sie in alle Richtungen davon, und die Dämonen mussten sich aufteilen, um alle einzufangen. So wurden sie voneinander getrennt. Als ihre Begleiter Chara nicht wiederfanden, nahmen sie an, sie habe ihre Gefangenen bereits nach Oblivion zurückgetrieben, um sie angemessen zu bestrafen. Vielleicht wäre sie noch von einem Suchtrupp entdeckt worden, bevor sie gestorben wäre. Vielleicht aber auch nicht. Deshalb haben Sie ihr wirklich einen bewundernswerten Dienst erwiesen, mein Junge.« Er seufzte und betrachtete die Schaubilder und schmutzverschmierten Berichte, die überall an den Wänden des Raumes hingen.
    »Und auch wenn es mir leid tut, dass diese arme Kreatur unter diesen Tunichtguten so sehr leiden musste und ich froh bin, dass die Übeltäter gefunden und ihrer gerechten Strafe zugeführt wurden, ist es doch eine Ironie des Schicksals und äußerst unglücklich, dass sie sich nun selbst einer schlimmen Verfehlung schuldig gemacht hat. Und dass sie selbst vor dem Gesetz geflohen ist, genau wie ihre Angreifer.«
    Seine blauen Augen, die noch durchdringender waren als die des Himmelsboten, obwohl sie irdischer wirkten, richteten sich wieder fest auf mich und erwiderten meinen Blick. »Ihr Angriff auf die beiden Herren im Blue ist eine äußerst ernsthafte Angelegenheit. Engel, die die Hölle zu Kriegsspielen besuchen, rechnen zwar immer damit, angegriffen zu werden, zumindest im Rahmen dieser Spiele … aber ganz gewiss nicht auf diese Weise. Das war kein Spiel, sondern ein Akt der reinen Feindseligkeit und Respektlosigkeit. Dass ein Dämon sich zwei Engeln gegenüber so verhält …« Er schüttelte den Kopf, warf seine Hände in die Luft und ließ sie in einer dramatischen Geste wieder auf den Schreibtisch fallen. »Das geht weit über Ungehorsam hinaus. Das ist Blasphemie … ein Sakrileg.«
    »Ich verstehe«, sagte ich matt.
    »Wenigstens musste ihre Partnerin, die Dämonin Verdelet, bereits für ihre Mitwirkung bezahlen. Eigentlich ist es uns sogar erst durch die Identifizierung von Verdelets Leiche gelungen, zu ermitteln, wer unsere Flüchtige ist.
    »Ich verstehe.«
    Turner spielte mit einem Briefbeschwerer, einem grünlichen Klumpen aus halb geschmolzenem Glas. In seinem Inneren war irgendetwas eingeschlossen, wie ein in Bernstein gefangenes Insekt, das aussah wie ein Puppenauge,

Weitere Kostenlose Bücher