Tagebuch aus der Hölle (German Edition)
aber vielleicht war es auch etwas anderes. Er wiegte es in seiner Hand, so als wolle er abschätzen, wie widerstandsfähig ein Schädel sich ihm gegenüber wohl erweisen würde. »Meinem Bericht zufolge … also, laut der Aussage von Mr. Butler und Mr. Franklin … haben Sie sich gegenüber dem Dämon Chara in besagtem Etablissement, Blue, bereits zum zweiten Mal äußerst ritterlich verhalten.«
»Nun«, stammelte ich, »ich bin wohl einfach so erzogen worden, schätze ich. Ich weiß, dass sie ein Dämon ist, aber sie sieht so menschlich aus. Und als ich dann gesehen habe, dass sie von zwei Männern belästigt wurde … na ja … ich glaube, ich hatte das Gefühl, sie beschützen zu müssen, oder …«
»Ich verstehe Sie.« Er hob seine freie Hand. »Wirklich. Und ich weiß nun, dass Sie selbst gegenüber diesen beiden Herren keinerlei Gewalt ausgeübt haben. Ich muss Ihnen allerdings mitteilen, dass sie nicht allzu gut auf Sie zu sprechen sind.« Er kicherte ein wenig, so als hätten wir gemeinsam einen Scherz gemacht.
»Sie sähen es sehr gerne, wenn Sie schwer bestraft würden, allein aufgrund der Respektlosigkeit, die auch Sie ihnen gegenüber an den Tag gelegt haben …«
»Aber Sir, ich …«
Wieder dieses Kichern und die erhobene Handfläche, so als wolle er mir seinen Segen geben. Er stellte den Klumpen aus Glasabfall mit dem hoffentlich gefühllosen Auge zurück auf den Tisch. »Ich habe den Herren versichert, dass Sie uns weiterhelfen werden, wenn ich Sie befrage. Es ist schließlich offensichtlich, dass ein Mensch niemals mit einem Dämon im Bunde sein könnte.«
»Gut. Danke. Ich versuche ja, Ihnen zu helfen.«
»Und ich weiß das zu schätzen. Wie schon gesagt, ich wusste, dass Sie sich kooperativ zeigen würden. Obwohl«, er verzog den Mund zu einem Schmollen und streckte seine leeren Hände aus, »es durchaus ungewöhnlich ist, dass Sie sich bei zwei verschiedenen Gelegenheiten gegenüber derselben Kreatur so ritterlich verhalten haben. Aber ich schätze, da war wohl der Zufall im Spiel.«
»Ja, Sir.«
»Sie hatten nicht die Absicht, Chara an diesem Abend im Blue zu treffen?«
»Nein, Sir. Ich hatte keine Ahnung, dass sie auch dort sein würde.«
»Sie haben sich nie privat mit ihr getroffen, ist das richtig?«
»Nein, Sir … nie. Wie Sie bereits sagten, so etwas gibt es nicht.«
Er nickte. »Selbstverständlich. Es ist nur … nun … Mr. Butler dachte, er hätte eine Unterhaltung zwischen Ihnen und dem Dämon mit angehört, aber zu diesem Zeitpunkt hatte sich sein Kopf noch kaum regeneriert, sodass er sich möglicherweise getäuscht hat …«
»Eine Unterhaltung?«
»Nun, er glaubte, etwas in der Art gehört zu haben, dass Chara Sie besuchen kommen solle. Woraufhin die Dämonin angeblich antwortete, sie wüsste, wo Sie wohnen.«
Ich versuchte, nicht wieder zu schlucken. Ich gab mir Mühe, nicht zu zögern oder zu stark zu protestieren, als ich erwiderte: »Mr. Butler muss sich geirrt haben, Mr. Turner. Wie Sie bereits sagten, sein Kopf war noch dabei, sich neu zu bilden. Ich habe nichts mit dieser Frau … diesem Dämon … zu tun … ganz egal, was ich vielleicht für sie getan habe. Sie ist eine Dämonin, Sir. Ich bin nichts weiter als ein Tier für sie, wenn überhaupt.«
»Vielleicht. Andererseits, nach allem, was ich von Zeugen gehört habe, besonders von den beiden Opfern, scheint es, als habe dieser Dämon versucht, Sie vor Mr. Butler zu beschützen.«
»Sir … nun, wissen Sie, vielleicht hat sie das tatsächlich. Vielleicht hat sie versucht, sich für das zu revanchieren, was ich für sie getan habe. Aber ich habe sie nicht darum gebeten. Wie Sie schon sagten, habe ich mich in den eigentlichen Kampf nicht eingemischt. Vielleicht hat sie mich aber auch gar nicht beschützt … vielleicht haben die beiden sie einfach so sehr gereizt, dass sie sich nicht mehr zurückhalten konnte.«
»Das ist durchaus möglich. Aber das soll sie nicht entlasten – es gibt keine Entschuldigung für das, was sie getan hat, ganz gleich, wie sehr man sie vielleicht beleidigt hat ...«
»Aber wir sind keine Freunde, Sir«, und dieses Mal kicherte ich selbst, um zu betonen, wie absurd allein der Gedanke war. »Das wäre ja so, als würde man auf einen der Wachtürme klettern, um eine Partie Dame mit einem der Aufseher zu spielen.«
Turner grunzte ein halbherziges Lachen, schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. Ich tat dasselbe. Als er hinter dem Schreibtisch hervortrat, schüttelte er mir
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