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Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Titel: Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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dass Hosni Mubarak sich mit seiner Familie nach Scharm El-Scheich begeben hat. Hier wollen ja alle wissen: Wie geht’s jetzt weiter, ist er da in einer Art innerem Exil oder fliegt er von dort aus möglicherweise weiter ins Ausland oder kommt er irgendwann wieder nach Kairo zurück? Alles offene Fragen. Erwartet wird nicht eine Erklärung von Mubarak, sondern eine Erklärung aus dem Präsidialamt. Wie man hinter mir hört, sind die Leute immer noch massenweise auf der Straße und warten auch darauf, was da für eine Erklärung kommt.
    ORF: Es wird ein spannender Abend in Ägypten – wir hören uns spätestens in der „Zeit im Bild“ um halb acht …
    Karim El-Gawhary: Moment, Moment! Jetzt kommt gerade die Erklärung. Omar Suleiman erklärt, dass Mubarak weg ist. Deswegen jetzt der Lärm hinter mir … deswegen jetzt das Geschrei hinter mir – gerade eben kommt die Erklärung.
    ORF: Gut, wir schauen, dass wir noch mehr über diese Erklärung in Erfahrung bringen. Und was es genau heißt, dass Präsident Mubarak jetzt weg ist. Danke vorerst, Karim El-Gawhary, nach Kairo, wir berichten natürlich weiter.
    Danach stand ich fassungslos vor der Kamera, weil mich die ZIB 17 brutal abgedreht hatte. Aber die Meldung vom Rücktritt Mubaraks, die nicht nur mitten in der Sendung, sondern auch noch mitten in meinem Livegespräch verkündet wurde, war zu frisch, als dass die Regie die gesamte laufende Sendung hätte umwerfen können. Zur Ehrenrettung des ORF: In weniger als zehn Minuten wurde eine Sondersendung aufgestellt und zurück nach Kairo geschaltet.
    ORF, Sondersendung , 11.2.2011, 17:15, 2. Schaltung
    ORF: Wir gehen noch einmal nach Kairo; dort scheinen sich die Ereignisse zu überschlagen. Es war für heute Abend eine wichtige Erklärung des Präsidialamtes angekündigt. Vor kurzem hat Karim El-Gawhary in unserer ersten Schaltung gesagt, die Erklärung sei soeben gekommen und Vizepräsident Omar Suleiman habe dabei gesagt, dass Präsident Mubarak die Macht abgegeben habe. Was das genau heißt, da hoffe ich, dass wir in Kürze Informationen direkt aus Kairo bekommen. Wie geht es weiter mit dem Regime Mubarak? Das frage ich jetzt Karim El-Gawhary in Kairo. Was ist denn der Stand? Wie sieht es aus? Ist Mubarak noch im Amt oder nicht?
    Karim El-Gawhary: Also ich weiß nicht, ob Sie das da hinten hören … Das sind die Freudenfeiern auf der Straße. Gerade eben, vor wenigen Minuten, wurde von Omar Suleiman verkündet, dass Mubarak sein Amt niederlegt, an das Militär übergibt – und das hier ist die Reaktion. Die Menschen strömen auf die Straße, winken mit ihren ägyptischen Flaggen – das wird jetzt ein Riesenfest. Es ist, wie gesagt, gerade eben vor wenigen Minuten passiert – es ist nicht ganz klar, was es bedeutet. Es bedeutet wahrscheinlich, dass nicht Omar Suleiman das Amt übernimmt, sondern das Militär. Die Demonstranten hinter mir wollen eine Übergangsregierung schaffen, die Ägypten zu einer demokratischen Entwicklung hinführt. Das Militär dagegen möchte möglicherweise an dem alten System festhalten und nur ein paar Köpfe auswechseln – das müssen wir jetzt sehen. Aber das ist im Moment für die Leute hier draußen nicht die wichtige Frage, sondern sie freuen sich jetzt erst mal, dass die Ära Mubarak zu Ende ist.
    ORF: Können Sie denn einschätzen – wir hören natürlich, dass die Demonstranten auf den Straßen jubeln … so laut war es bei all den Schaltungen, die wir in den letzten zwei Wochen mit Ihnen in Kairo geführt haben, noch nie –, können Sie einschätzen, ob die Menschen auch auf Dauer mit dieser Lösung zufrieden sein werden, dass das Militär jetzt an der Macht ist? Gestern haben ja noch viele gesagt: „Bitte kein Militär!“
    Karim El-Gawhary: Das ist die entscheidende Frage. Wie gesagt, jetzt, heute, ist der Tag, an dem man sich freut, dass Mubarak weg ist. Morgen oder übermorgen kommt dann der Tag, an dem sich die Leute überlegen werden: „Was passiert jetzt? Was macht nun dieses Militär?“ Hält das Militär an seinen alten Privilegien fest? Versucht es, möglichst viel vom alten System in das neue hinüberzuretten? Oder tritt es mit den Demonstranten und der Opposition in einen Dialog und schafft eine Formel, möglicherweise eine Übergangsregierung mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die weder mit dem Militär noch mit dem alten Regime verbunden sind – Persönlichkeiten, deren einzige Aufgabe es dann sein sollte, demokratische Wahlen unter

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