Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)
Aufständischen hatte er als Ratten und Kakerlaken bezeichnet. Nun befürchten die Menschen weitere Repressionen von Gaddafi und seinen Getreuen.
Ali sagt, dass die Stadt Bengasi seit Tagen von den Aufständischen kontrolliert werde. Die Armee habe sich entweder zurückgezogen oder sei zu den Aufständischen übergelaufen. Waffen aus den Kasernen seien an die Aufständischen verteilt worden. Ähnliches berichteten die Reisenden aus der Stadt Tobruk.
2500 Kilometer bis zur Grenze
Mohammed aus Tripolis im Westen des Landes erzählt dagegen ganz andere Geschichten. Vor zwei Tagen war er dort aufgebrochen, um den 2500 Kilometer langen Weg nach Ägypten zurückzulegen. Da war die libysche Hauptstadt noch immer unter der Kontrolle des Regimes, wenngleich viele Aufständische begonnen hatten, auch hier auf der Straße zu demonstrieren. „Nachts kamen dann die afrikanischen Söldner und schossen auf alles, was sich bewegte. Sie haben auch einmal in unsere Richtung gefeuert, aber Gott sei Dank schlecht gezielt“, erinnert er sich.
„Ich bin froh, mit heiler Haut davongekommen zu sein und mich bis hierher durchgeschlagen zu haben“, sagt er. Die Geschichten derjenigen, die aus den „befreiten Städten“ aus dem Osten des Landes geflohen sind, gleichen sich ebenso wie die Horrorgeschichten jener, die es aus dem Westen bis hierher geschafft haben. Es sind die Geschichten eines geteilten Landes.
Libysche Grenzsoldaten sind nicht mehr da
Der Weg ab Bengasi zur ägyptischen Grenze wird nach Aussagen der Reisenden von bewaffneten Stammesangehörigen kontrolliert, die sich den Aufständischen angeschlossen haben. „Die haben die Ägypter nur durchgewinkt und sie haben ihnen sogar noch Wasser mitgegeben“, erzählt einer der ägyptischen Arbeiter. Die libyschen Grenzsoldaten hätten ihre Positionen verlassen. „Das erste Mal sind wir an der Grenze von ägyptischem Militär kontrolliert worden“, erzählt er.
Die meisten, die über die Grenze kommen, sind Ägypter. Etwa eine Million von ihnen arbeiten in Libyen. Fast alle sind Männer. Nur wenige Familien passieren den Übergang. „Bengasi ist von den Aufständischen kontrolliert und ruhig, aber wir haben Angst, dass Gaddafi sich nach seiner Rede nun an dem befreiten Osten des Landes rächen wird“, fürchtet ein Mann, der ein Baby im Arm trägt, während sich seine Frau bei ihm eingehakt hat.
Zügig laufen sie weiter in Richtung der wartenden Kleinbusse, die an diesem Morgen eine kilometerlange Schlange gebildet haben, um die Flüchtenden abzuholen und auf die verschiedenen Landesteile Ägyptens zu verteilen. Zwar hat die ägyptische Armee direkt hinter der Grenze ein Zeltlager und ein Feldkrankenhaus errichtet, aber beide sind bisher leer.
Hektisch packen die Angekommenen ihre Taschen, Blechkoffer und Plastiktüten auf die Dachgepäckträger der Kleinbusse. Keiner möchte lange an der Grenze verweilen. Alle möchten Libyen und das Erlebte der letzten Tage möglichst schnell hinter sich lassen.
Auf Facebook gepostet
26. Februar 2011, 8:55 Endlich: Ich bin in Libyen drin. Das Beängstigendste bisher: die Fahrweise des Fahrers, der uns von der ägyptischen Grenze nach Tobruk gebracht hat. Fuhr mit 140 kmh durch den Sandsturm und hat immer wieder von der Straße weggeschaut, weil er sich so über das anregende Gespräch mit einem Journalisten gefreut hat. Am Ende wollte er keinen Cent. Einen Journalisten zu fahren, sei sein Beitrag zur libyschen Revolution, hat er gesagt. Ich war froh, heil angekommen zu sein.
27. Februar 2011, 7:07 Ein schöner, sonniger Tag im freien und friedlichen libyschen Tobruk. Ich habe gerade meine Zeitungsreportage weggeschickt, die hoffentlich morgen veröffentlicht wird.
taz.de, 27.2.2011
Es gibt kein Zurück mehr
Sie verteilen Lebensmittel, bewachen Ölanlagen, schützen Schulen, organisieren den Alltag: Libyens neue Volkskomitees. Zu Besuch in der befreiten Stadt Tobruk.
Tobruk. Das Transparent auf dem Minarett der zentralen Freitagsmoschee lässt keine Zweifel daran, wer in der ostlibyschen Stadt Tobruk den Ton angibt. „Gaddafi, du Schlächter, hau ab!“, heißt es dort kurz und bündig. Auch dass der angrenzende Platz nicht mehr „Platz der Massen“ heißt, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Zeit von Gaddafis „Republik der Volksmassen“ zumindest in dieser östlichsten Stadt des Landes, etwa 100 Kilometer von der ägyptischen Grenze entfernt, abgelaufen ist.
Der Platz ist in „Platz der Märtyrer“ umbenannt
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