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Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Titel: Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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Rebellenhochburg Bengasi. Kurz darauf wurden 114 US-Tomahawk-Raketen auf Positionen des integrierten libyschen Luftabwehrsystems abgeschossen. Die Aufständischen in Bengasi feierten. In Tripolis wurden die ersten zivilen Toten des Militäreinsatzes präsentiert.
    Es war der Beginn der westlichen Militärintervention, über die seitdem viel gestritten worden ist. International befand man sich in einer klassischen No-Win-Situation. Hätte man nicht eingegriffen und die Gaddafi-Truppen hätten Bengasi zurückerobert, hätte es geheißen, dass man sich international ähnlich wie in Ruanda oder Srebrenica nur auf die Zuschauerrolle angesichts eines Blutbades verlegt hätte. Greift man ein, setzt man sich dem Vorwurf aus, man hätte es nur aus eigenem Interesse, im Falle Libyens zum Schutz des Erdöls, getan.
    Tatsache ist, dass man international in den Libyen-Einsatz regelrecht hineingestolpert ist. Es gab keinen verschwörerischen Masterplan zum Schutz der Erdölinteressen. Derartige Theorien ignorieren, dass der Westen nicht agiert hat, sondern auf etwas völlig Neues reagiert hat: eine einheimische arabische Aufstandsbewegung, die erstmals die Dinge in die eigene Hand genommen hat. Diese arabische Demokratiebewegung hat genau das, was George W. Bushs Irak-Mission gegen Saddam Hussein im Namen der Demokratie vermissen ließ: Glaubwürdigkeit.
    Aber es war gerade die neuere Geschichte westlicher militärischer Interventionen in der arabischen Welt, die bei diesem erneuten Militäreinsatz einen bitteren Geschmack hinterließ. Doch es waren nicht die westlichen Erdölfirmen, die in Tunesien, Ägypten und Libyen angerufen und die Menschen aufgefordert hatten, auf die Straße zu gehen. Abgesehen davon waren für amerikanische und europäische Firmen seit dem Ende des Libyen-Embargos in Folge des Lockerbie-Anschlages goldene Zeiten angebrochen. Europäische Politiker hatten sich in Tripolis in Erwartung großer neuer lukrativer Aufträge die Klinken in die Hand gegeben. Gaddafis Sturz stand sicherlich nicht auf der westlichen Prioritätenliste. Der Nato-Einsatz in Libyen mag viele Beweggründe gehabt haben, eine große Verschwörung im Namen der Erdölinteressen steckte sicher nicht dahinter.
    So stellte sich am Anfang des libyschen Aufstandes für einen Journalisten in der Region nur eine Frage: Tripolis oder Bengasi? Lässt man sich von Gaddafis Regime in Tripolis in einem Fünf-Sterne-Hotel einquartieren, wird dorthin gekarrt, wo das Regime es genehm findet und kann mit niemandem auf der Straße offen sprechen, weil die Menschen Angst haben? Dabei wird man dann auch mit dem Kasperltheater von zu jeder Gelegenheit vor die Kameras gezerrten Gaddafi-Anhängern konfrontiert.
    Oder begibt man sich von der ägyptischen Seite auf dem 17-stündigen Landweg nach Bengasi, auf neues journalistisches Territorium im befreiten Teil Libyens, um dort ein paar Momentaufnahmen einzufangen?
    Auf Facebook gepostet
    22. Februar 2011, 17:12 Bin auf dem Weg zur ägyptisch-libyschen Grenze.
    22. Februar 2011, 23:14 Habe gerade mit ägyptischen Arbeitern auf der Raststätte in El-Alamein gesprochen, die heute aus Bengasi gekommen sind. Bengasi ist in den Händen der Aufständischen. Dortige Armee übergelaufen. Waffen aus Kasernen wurden an Aufständische verteilt. Libysche Grenztruppen haben ihre Posten an der ägyptischen Grenze vollständig verlassen.
    23. Februar 2011, 3:49 Bin am Grenzort zu Libyen angekommen. Ist voll mit Ägyptern, die aus Libyen kommen und die nach Hause fahren wollen.
    taz.de, 23.2.2011
    Die Flüchtlinge von Salloum
    Hunderte flohen aus Libyen und haben sich nun über die Grenze nach Ägypten gerettet. Sie fürchten weitere Repressionen und berichten von einem zerfallenen Land.
    Salloum. Zu Hunderten kommen sie über die Grenze. Meist mit wenigem geschulterten Hab und Gut schleppen sie sich in Sicherheit. Durch das Tor des Grenzüberganges Salloum, der Libyen von Ägypten trennt. Die meisten sehen müde und erschöpft aus. Bengasi, die größte Stadt im Osten Libyens, liegt zehn Autostunden von hier entfernt.
    Warum es gerade an diesem Morgen so viele Menschen sind, wird schnell deutlich: „Gaddafi hat in seiner letzten Rede seinem eigenen Land den Krieg erklärt“, sagt ein ägyptischer Elektriker, der sich nur mit dem Namen Ali vorstellen will. Viele haben ihre Taschen unmittelbar nach der Rede Gaddafis gepackt. Der Revolutionsführer hatte gesagt, dass die Proteste in Libyen dem Teufel dienen würden. Die

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