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Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)

Titel: Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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Bahrain, wo eine schiitische Bürgerbewegung begann, sich mit ägyptischen Methoden dagegen zu wehren, als Bürger zweiter Klasse diskriminiert zu werden. Spätestens jetzt war der Ausdruck „Arabischer Frühling“ geboren.
    Aber kaum jemand ahnte, dass ausgerechnet im Nordkorea Arabiens, dem von Muammar Al-Gaddafi mit eiserner Faust geführten Libyen, der nächste große arabische Aufstand ausbrechen sollte.
    Es begann am Abend des 15. Februar, als eine Gruppe von 600 Demonstranten es wagte, vor dem Hauptquartier der Polizei in der ostlibyschen Stadt Bengasi gegen die Verhaftung des Menschenrechtsanwalts Fathi Terbil zu demonstrieren. Gaddafi reagierte erwartungsgemäß und ließ den Protest gewaltsam auflösen. Nur nichts anbrennen lassen, lautete sein Motto. Er hatte von den Erfahrungen seiner Diktatoren-Kollegen Ben Ali und Mubarak gelernt, dass Zögern und Zimperlichkeit zu einem schnellen Ende führen können. Das libysche Regime hatte auch die Wichtigkeit der Rolle der Medien für die wachsende arabische Demokratiebewegung verstanden. Nur wenige Stunden nachdem der mutige libysche Romanschriftsteller Idris Al-Mismari dem Fernsehsender Al Jazeera ein Interview gegeben hatte, wurde er von Gaddafis Schergen abgeholt.
    Doch anstatt sich einschüchtern zu lassen, riefen die Libyer am 17. Februar zu ihrem eigenen Tag des Zorns auf. Nicht nur in Bengasi gingen sie auf die Straße. Auch in Adschdabiya, Darnah, Al Zintan und Al Bayda und selbst in der Hauptstadt Tripolis stürmten sie Regierungsgebäude und Polizeistationen. Gaddafi wartete nicht mit dem Schießbefehl, ließ die Demonstrationen von Hubschraubern aus beschießen und setzte sogar seine Luftwaffe zur Bekämpfung des Aufstands ein.
    Die reguläre Armee, jene Institution, die in Tunesien und in Ägypten auf die Straße gekommen war, um das Blutbad zu beenden, und im Falle Ägyptens das Land in der Nach-Mubarak-Zeit kommissarisch verwaltete – diese Institution war in Libyen innerhalb weniger Tage auseinandergebrochen. Ein Teil blieb Gaddafi loyal, ein anderer Teil ging nach Hause und ein nicht unwesentlicher Teil, im Osten des Landes, schlug sich auf die Seite der Rebellen. Aber es waren Gaddafis Milizen, die sogenannten Kataib, die nun das militärische Rückgrat zur Verteidigung des Regimes bildeten. Diese Milizen hatte Gaddafi in weiser Voraussicht jahrelang parallel zur Armee, der er nie traute, aufgebaut. Ähnlich wie die Revolutionswächter im Iran sind diese Milizen besser ausgebildet und ausgerüstet als die vernachlässigte Armee. Diese Kataib warfen sich nun für Gaddafi in die Bresche, denn auch ihre eigene privilegierte Existenz steht und fällt mit dem Regime. Deren stärkste Einheiten sind rund um die Hauptstadt Tripolis stationiert und halten sie im Griff. Als die Rebellen den Osten des Landes erobert hatten, entstand der Eindruck, es handle sich in Libyen um einen Bürgerkrieg zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil des Landes. In Wirklichkeit wollen die Libyer das gleiche wie zuvor die Tunesier und die Ägypter: den Diktator loswerden und ein System stürzen, unter dem sie seit 40 Jahren gelitten haben. Anrufe bei Bekannten in Tripolis in den Tagen des Aufstandes zeigten, dass dort nicht freundliche Loyalität gegenüber Gaddafi, sondern schiere Angst vorherrschte. Bestenfalls sprach man am Telefon vom trüben Wetter in Tripolis.
    Im Nachhinein lässt sich vielleicht sagen, dass die libyschen Rebellen zu schnell zu den Waffen gegriffen haben und damit dem Regime den Vorwand lieferten, mit ultimativer Härte gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen. Aber den Rebellen eine falsche Taktik vorzuwerfen, ist von außen gesehen ein einfaches Unterfangen. Hätten sich Menschen woanders auf der Welt anders verhalten, wenn auf ihre Demonstrationen von Hubschraubern aus geschossen wird? Auch die immer wieder zu hörende skeptische, fast tadelnde Frage, wer diese Rebellen denn nun eigentlich seien, die da vom Westen unterstützt werden, ist eine wenig faire Infragestellung. Kann man den Aufständischen vorwerfen, dass die Libyer unter der Knute von 40 Jahren Gaddafi-Herrschaft auch nicht die leiseste Chance hatten, irgendeine Form von Opposition und organisiertem Dissens aufzubauen?
    Am 19. März flogen französische Kampfjets ihre ersten Aufklärungsmissionen über den libyschen Luftraum. Noch am selben Abend folgte ihr erster Kampfeinsatz und sie bombardierten eine Reihe gepanzerter Fahrzeuge der Truppen Gaddafis auf dem Weg in die

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