Tagebuch der arabischen Revolution (German Edition)
landete im Hinterzimmer des Geheimdienstes und die Frau bezichtigte ihn, er habe versucht, sie zu vergewaltigen. Nach mehreren Stunden heftigen Verhörs zwinkerte ihm schließlich einer der Geheimdienstoffiziere zu, mit den Worten: „Du siehst, was wir mit dir machen können. Du hast 24 Stunden Zeit, deine Koffer zu packen und abzureisen.“ Und genau das tat mein Kollege dann auch.
Und ausgerechnet in diesem Tunesien, über das international niemand sprach und wo keiner im Land sich traute, den Mund aufzumachen, schlägt die Geburtsstunde der arabischen Revolution.
Tunesien: Der Aufstand beginnt
Arabesken, tazblog 26.12.2010
Worüber an Weihnachten nicht berichtet wurde: Elendsaufstand in tunesischer Kleinstadt
Vielleicht liegt es daran, dass Al-Kaida oder sonstige Islamisten darin keine Rolle spielen. Oder die Medien schlafen einfach ihren Weihnachtsschlaf. Möglicherweise passt das Ganze auch nicht so recht ins Bild von Tunesien mit seinen traumhaften Mittelmeerstränden und Wintergolfplätzen. Aber der Elendsaufstand der Jugendlichen in und rund um die tunesische Kleinstadt Sidi Bouzid wurde bisher medial ignoriert. Daher nun ein paar Zeilen dazu, obwohl der Maghreb normalerweise nicht zu meinem Berichtsgebiet gehört.
Die Stadt ist inzwischen von der Armee abgeriegelt. Drinnen versucht die Polizei mit Gewalt, die Kontrolle wiederzugewinnen. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte das Ganze, als am Weihnachtstag ein Demonstrant in Menzel Bouzaiene von der Polizei erschossen wurde. Die Polizei behauptet, in Selbstverteidigung gehandelt zu haben. Zuvor hatten Jugendliche eine örtliche Polizeistation angegriffen, Polizeiautos, eine Lokomotive und ein Büro der Regierungspartei in Brand gesetzt. Die Spannungen begannen letzten Samstag, als sich Mohammed Bouazizi auf offener Straße mit Benzin übergossen und angezündet hatte. Der 26-jährige Gemüsestraßenhändler hatte einen Universitätsabschluss und konnte keine adäquate Arbeit finden, um als einziger Brotverdiener seine Familie zu ernähren. Als die Behörden dann zum wiederholten Male seine Waren konfiszierten, hatte er wohl genug vom Leben. Am Mittwoch kletterte dann ein anderer arbeitsloser junger Mann einen Strommast hoch und fasste an die Leitung. Zuvor hatte er noch gerufen: „Nein zum Elend und nein zur Arbeitslosigkeit!“ Seitdem herrscht in und um Sidi Bouzid, 250 Kilometer südlich von Tunis, ein Ausnahmezustand.
Proteste sind selten in Tunesien, wo dem Präsidenten Ben Ali von Menschenrechtsorganisationen immer wieder vorgeworfen wird, jeglichen politischen Dissens mit einem Polizeistaat zu unterdrücken. Auch die Berichterstattung über den Aufstand wurde massiv unterdrückt.
Die Nachrichten bleiben also spärlich. Meist sind es Videos, Fotos und Berichte von Augenzeugen, die den Weg ins Internet gefunden haben und über Blogs und Facebook verbreitet werden. In jedem Fall sollten wir dafür sorgen, dass die Geschichte nicht im Weihnachts- und Neujahrsschlaf untergeht.
Auf Facebook gepostet
30. Dezember 2010, 12:34 Inzwischen sind die Internetverbindungen zu den aufständischen Orten in Tunesien gekappt. Das Regime will wohl keine weiteren Videos von den Protesten und den Polizeieinsätzen im Netz sehen. In Tunesien blockiert sind die Internet-Videoplattformen vimeo, YouTube, aber auch flickr, blip.tv, dailymotion, appspot, posterous, googlelabs, WordPress, Facebook, #sidibouzid.
30. Dezember 2010, 14:50 In Tunesien erleben wir das erste Mal eine arabische Bewegung nicht gegen Kolonisatoren, sondern gegen das eigene repressive Regime. Das ist eine neue Qualität und darum sind die Ereignisse dort so wichtig. Das ist das erste Mal, dass die Araber aus ihrer Passivität erwachen und sich gegen ihre tyrannischen Regime wenden.
30. Dezember 2010, 15:01 Wieder ein Toter bei Protesten in Tunesien, getötet von der Polizei in Manzal Bouzian. Sein Name: Chawky Hedry.
Arabesken, tazblog 31.12.2010
Ohne die Silvesterfeiern stören zu wollen:
Tag 14 des Aufstands in Tunesien
Zu Beginn war es nicht einfach, die tunesischen Proteste einzuschätzen, aber inzwischen wird die Brisanz dieses Aufstandes immer klarer.
In einem lesenswerten Kommentar im Guardian heißt es dazu: „Was wir in Tunesien heute erleben, ist die Geburt einer authentischen, nationalen, einheimischen Volksbewegung, nicht gegen Kolonisatoren und ausländische Besatzer, sondern gegen das eigene repressive Regime (…). Jahrelang haben sich Schreiber über die ,arabische
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