Tagebuch eines Engels
den Würgegriff nahm.
Ich stellte von Anfang an klar, dass ich nicht im Treppenhaus darauf warten würde, dass die beiden Sonyas Seele zerstörten und sie zu einem schlechten Einfluss für Margot machten. Margot hatte bereits angefangen, mal hier ein bisschen Gras, mal dort ein wenig Crack zu rauchen, und ich sah alles andere bereits auf sie zurasen wie die Scheinwerfer eines Zuges, der sie auf den Gleisen liegend überrollen würde.
Luciana und Pui waren wenig begeistert, dass ich mich einmischte. Sie nahmen neue Gestalt an, erhoben sich wie zwei kobraförmige rote Rauchsäulen und spuckten Feuerbälle in meine Richtung. Und wie im richtigen Leben befand ich mich plötzlich in einer Situation, auf die ich nicht vorbereitet, vor der ich nicht gewarnt worden war. Und wie im richtigen Leben reagierte ich instinktiv: Ich hob die Hände und wehrte das Feuer ab. Dann schloss ich die Augen und stellte mir vor, wie das Licht in mir anschwoll, was es dann auch tat, und als ich die Augen wieder öffnete, war das Licht so gleiÃend, dass die beiden sich wie Schatten zur Mittagszeit in eine Ecke verkrochen und mir eine ganze Weile nicht mehr unter die Augen traten.
Ezekiel zeigte vor Gesundheit strotzend Präsenz in Sonyas Leben, worauf sie sich vornahm, mit den Drogen aufzuhören, gesünder zu leben und sich vielleicht auf Dauer mit einem netten Mann zusammenzutun.
»Wie findest du eigentlich Toby?«, fragte Sonya Margot bei einer Tasse Morgenkaffee.
Margot zuckte mit den Schultern. »Ganz nett. Ruhig.«
»Ich überlege mir, wie wir uns wohl als Paar machen würden.«
Margot fing übertrieben an zu husten. »Als Paar? Willst du dann etwa auch, keine Ahnung, Apfelkuchen backen und dich irgendwelchen Hausfrauenverbänden anschlieÃen?«
Sie müssen sich diese Sonya bildlich vorstellen, wie sie auf ihrem Stuhl kauerte: in einem seidenen Morgenmantel mit Leopardenmuster, darunter einen roten Push-up-BH, die Haare ungeglättet und wild um ihr blasses Gesicht fallend, als hätte sie eine gröÃere Kopfverletzung. Und diese Sonya war nun pikiert. Allerdings in erster Linie deshalb, weil sie die Vorstellung, zu backen und etwas für das Gemeinwohl der Frauen zu tun, gar nicht so scheuÃlich fand.
»Ich glaube, ich werde alt.«
»Du und Toby â hattet ihr schon mal was miteinander?«
Sonya schüttelte den Kopf. Dieses eine Mal sagte sie die Wahrheit. »Wir waren zusammen im Kindergarten. Er ist so was wie ein Bruder für mich. Igitt, spinne ich denn total? Na ja. Und was ist mit dir? Ich dachte, zwischen euch sei damals bei meiner Party irgendwas gelaufen?«
»Ich habe ihn beleidigt.«
»Und?«
»Und nichts. Seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen.«
»Würdest du das denn gerne?«
Margot dachte nach. Dann nickte sie.
Und so kam es, dass Margot und Toby plötzlich ein inoffizielles Date hatten.
Toby kreuzte in Bobs Buchladen auf. Bob lümmelte wie üblich auf einem Sessel hinter dem Tresen herum, rauchte eine Mischung aus Gras und Tabak und las einen Artikel über den neuesten Cadillac Fleetwood Brougham. Er sah zu Toby auf und schnickte die Kippe in seine Richtung.
»Ich suche Margot.«
Bob hustete bloÃ. Toby sah zum Regal mit den Neuerwerbungen.
»Sie haben echt gute Bücher hier. Komisch, dass ich noch nie von diesem Laden gehört habe.«
»Hm.«
»Also? Ist Margot da?«
»Musst du sie schon selber fragen.«
Ich habe Toby schon immer für seine unendliche Geduld bewundert. Ich sah zu Zenov hinüber, der am Tresen lehnte, und mimte einen kurzen Klaps gegen Bobs Hinterkopf. Zenov schüttelte den Kopf, als wolle er sagen: »Was soll man da machen?«
Toby verschränkte die Hände hinter dem Rücken und dachte über Bobs Vorschlag nach. Dann holte er Luft.
»Margot?«, schrie er, so laut er konnte. Bob rutschte vor Schreck vom Sessel und kam unsanft auf dem Boden auf.
»Margot Delacroix, ich binâs, Toby Poslusny. Ich bin hier wegen unseres inoffiziellen Dates. Bist du da?« Erstaunlich, mit welcher Lautstärke und Inbrunst â seine Vorstellung erinnerte mich an einen bibeltreuen Prediger â diese ruhige Person auf einmal herumbrüllen konnte. Dabei hatte er den Blick ununterbrochen auf Bob gerichtet.
Bob rappelte sich auf. Zenov hielt sich die Hand vor den lachenden Mund. »Ãh, ich werd mal eben nachsehen, ob sie da
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