Tagebuch eines Engels
ist â¦Â«
»Danke.« Toby lächelte immer noch und nickte Bob zu.
Wenige Minuten später trat Margot hinter dem Raumteiler hervor, bekleidet mit einem grünen Fünfzigerjahre-Tüll-Partykleid, das ihr mindestens zwei Nummern zu klein war. Sie war noch damit beschäftigt, sich die Haare hochzustecken, und offenkundig nervös. Toby hätte sich beinahe die Augen gerieben. Begierig beäugte er ihr Kleid, ihren Schwanenhals. Ihre Beine. »Hi«, sagte sie. »Tut mir leid, dass du warten musstest.«
Toby nickte und bot ihr seinen gebeugten Arm, damit sie sich bei ihm unterhakte.
Sie kam seiner Aufforderung nach, und gemeinsam rauschten sie aus dem Laden. »Um elf schlieÃe ich ab«, hustete Bob, aber da war die Tür schon ins Schloss gefallen.
Es heiÃt, in den ersten beiden Wochen zeichnet sich die Qualität einer Beziehung bereits deutlich ab. Ich würde sagen, das tut sie sogar in weniger als zwei Wochen. Ich würde sagen, schon beim ersten Date sind die Grundzüge einer Beziehung ganz klar zu erkennen.
Toby war wenig konventionell. Er führte Margot nicht ins Kino und zum Abendessen aus. Er ging mit ihr auf dem Hudson rudern. Margot fand das klasse. Und das war ein wichtiger Meilenstein in ihrer Beziehung. Dann verlor Toby einen Riemen und fing an, W. B. Yeats zu rezitieren. Margot war fasziniert und kramte â das war wohl unvermeidlich â ein Tütchen Kokain hervor und legte zwei Linien. Was Toby das Letzte fand.
»Pack das weg, ich nehm das Zeug nicht.«
Margot sah ihn an, als sei ihm gerade ein zweiter Kopf gewachsen. »Aber du bist doch mit Son befreundet, oder?«
»Ja. Das heiÃt aber noch lange nicht, dass ich ein Junkie bin.«
»Ich bin auch kein Junkie, Toby. Ich will nur ein bisschen Spaà haben â¦Â«
Er sah weg. Ich sah weg. Mann, war mir das peinlich. Wie ich mich selbst hasste. Wie ich diesen Augenblick hasste, einen in einer ganzen Reihe von Augenblicken, mit denen das vereitelt wurde, was eine gesunde, vernünftige Beziehung hätte werden können. Und es war, wie immer, mein Fehler.
Margot wurde bockig. »Gut, wenn du nichts willst, dann ist halt umso mehr für mich da!« Und damit zog sie beide Linien.
Toby betrachtete die Gebäude auf der anderen Seite des Flusses. Die ersten StraÃenlaternen schimmerten entlang des Ufers und schickten goldrote, sich schlängelnde Bänder zum Boot. Er lächelte. Dann legte er den Riemen ab. Er zog Jacke und Schuhe aus. Dann sein Hemd. »Was machst du da?«, fragte Margot. Er zog sich weiter aus, bis auf die Unterhose. Dann stand er auf, reckte die dünnen weiÃen Arme in die Luft, beugte den mageren Oberkörper in Springerpose über die Knie und stieà sich ab, ins Wasser.
Völlig perplex lehnte sich Margot über die Seite des Bootes. Er war ewig lange unter Wasser. Sie wartete, fummelte dabei nervös mit den Händen. Keine Spur von ihm. Sie überlegte, ob sie um Hilfe rufen sollte. Dann zog sie sich auch aus und sprang ihm nach. Im selben Moment tauchte er auf und lachte schallend.
»Toby!«, kreischte sie mit klappernden Zähnen. »Du hast mich ausgetrickst!«
Toby lachte und spritzte sie nass. »Nein, meine liebe Margot, du trickst dich selber aus!«
Sie sah ihn an. Mann, ist der weise, dachte ich. Mann, ist der verrückt , dachte Margot.
»Hä?«
Wie ein Hund paddelte er auf sie zu. »Glaubst du wirklich, dass das Koks dir zu mehr Spaà im Leben verhilft? Dass es aus dir einen cooleren Menschen macht?«, fragte er. »Wenn ja, dann muss ich sagen, bist du eine ganze Ecke dümmer, als ich dachte.«
Ihm tropfte Wasser von der Nase, und die Kälte lieà seine Stimme beben. Margot glotzte ihn an, und als sie gerade dachte, ob sie ihn vielleicht küssen sollte, näherte er sich die letzten Zentimeter und küsste sie. Es war â dafür verbürge ich mich â der zärtlichste und ehrlichste Kuss ihres Lebens.
Die folgenden Monate verbrachte ich in Tobys winziger Dachwohnung über dem rund um die Uhr geöffneten Café und beobachtete Margot und Toby aufmerksam dabei, wie sie immer tiefer in eine spirituelle Gletscherspalte rutschten, die sie für Liebe hielten. Ich redete mir anfangs ein, die beiden würden sich in die Liebe an sich verlieben und dass es allein die Umstände waren, die sie zusammenhielten, und nicht Liebe. SchlieÃlich hatten sie
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