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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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schuldzuweisenden Finger in meine Richtung zu drehen.
    Kurz darauf tauchte Grogor auf. Er entschied sich dieses Mal für einen Auftritt in Theos Zimmer, was ich für eine versteckte Drohung hielt und Theo laut schreien ließ. Das lenkte Margot lange genug ab, sodass Grogor sich mit mir unterhalten konnte.
    Ich weiß nicht, warum, und ich will auch gar nicht wissen, wie – aber Grogor war nicht mehr das brennende Monster mit dem halb verfaulten Gesicht, das mir seinerzeit zum ersten Mal begegnete. Er war äußerst menschlich. Groß, mit kantigem Kiefer, das tintenschwarze Haar über die Ohren gegelt – genau der Typ Mann, zu dem ich mich einst hingezogen gefühlt hätte. Er hatte sogar Bartstoppeln und einen abgebrochenen Schneidezahn. Er wirkte plötzlich so menschlich, dass ich völlig perplex war.
    Â»Ich komme in friedlicher Mission«, sagte er, hielt die Hände hoch und lächelte.
    Â»Raus hier, Grogor«, sagte ich und hielt eine gleißende Hand in die Höhe. Unsere letzte Begegnung war mir noch zu gut in Erinnerung.
    Â»Bitte nicht«, sagte er und drückte die Handflächen gegeneinander wie ein bußfertiger Sünder. »Ich bin hier, um mich zu entschuldigen. Wirklich.«
    Ich feuerte ein massives Lichtbündel auf ihn ab, das ihn quer durch den Raum warf. Er landete hustend und auf allen vieren auf der Kommode.
    Â»Wenn du nicht verschwindest, bringe ich dich um«, warnte ich ihn.
    Â»Mich umbringen?«, kicherte er, während er sich aufrappelte. »Das würde ich gerne sehen.«
    Â»Gut.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich werde meinen Spaß dran haben, dich in Stücke zu zerfetzen.« Ich hielt eine kleine Lichtkugel hoch und zielte auf seine Beine.
    Â»Nicht!« Er duckte sich ein wenig. Ich legte den Kopf schief. Er hob die Hand. »Ich hätte da ein sehr großzügiges Angebot zu machen. Hör mir zu.«
    Â»Du hast zehn Sekunden.«
    Er stand jetzt wieder aufrecht und zupfte, um Fassung bemüht, an seinem Jackett herum. »Ich weiß, dass du gerne etwas verändern möchtest. Ich weiß, dass Margot dabei ist, sich ein eigentlich wunderbares Leben zu versauen, ein Leben, an das du wenigstens ein paar gute Erinnerungen hättest, ein Leben, das Theo den Start in eine bessere Zukunft gesichert hätte …«
    Ich drehte mich um und sah ihn an. Meine Flügel schickten wieder massenweise Nachrichten. Wütende Nachrichten. Schaff ihn hier raus. Er versucht, dir was vorzumachen. Schaff ihn hier raus.
    Â»Raus hier, Grogor, oder du wirst meine unangenehme Seite kennenlernen.«
    Er lächelte. »Verstanden.« Er ging zum Fenster, dann drehte er sich um. »Falls du es dir doch noch anders überlegen solltest – ich verspreche dir, dass es eine Möglichkeit gibt. Du kannst Theos Schicksal abwenden.«
    Und damit verschwand er.
    Theo kam sofort wieder zur Ruhe. Margot streichelte ihm das Gesicht, und er schlief ganz friedlich ein. Sie setzte sich neben sein Bettchen und verdrängte jeden Gedanken an Toby. Ich sah sie an und dachte: Ich kann immer noch etwas ändern. Ich kann es immer noch richten.
    Pustekuchen.

– 21 –
    DIE ÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN
    Als Nan mich das nächste Mal besuchte, stellte ich ihr eine Frage, die mir seit Grogors Besuch auf der Seele gebrannt hatte.
    Â»Was würde passieren, wenn ich den Ausgang von Margots Leben verändern würde?«
    Wir befanden uns auf dem Dach von Margots Wohnung, von wo aus wir die zahllosen über die ganze Stadt verteilten und ständig in Bewegung scheinenden orangefarbenen Lichtvierecke sehen konnten, in denen sich hin und wieder die Silhouetten von sich umarmenden, streitenden, einsamen Menschen abzeichneten und an in Bernstein gefangene Insekten erinnerten.
    Sie ließ mit der Antwort lange auf sich warten. Und dann blies sie mir den Marsch. »Du weißt ganz genau, dass wir nicht hier sind, um die Symphonie neu zu orchestrieren. Wir sind hier, um sicherzustellen, dass die Symphonie so gespielt wird, wie der Komponist sich das gedacht hat.«
    Ich hatte immer wieder Schwierigkeiten, ihren Metaphern zu folgen. »Aber du hattest mir doch früher mal gesagt, dass ich die Teile des Puzzles neu legen kann, oder? Und wenn ich jetzt das ganze Bild ändern, wenn ich ein besseres Bild daraus machen würde?«
    Â»Wer hat dich in letzter Zeit besucht?« Sie war so weise.
    Â»Grogor«, gestand

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