Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
Vater. Soll ich ihn für dich in Latein wiederholen?“
„Damon...“ begann Stefan tadelnd, schockiert von soviel Respektlosigkeit. Aber sein Vater unterbrach ihn. „Willst du mir etwa schonend beibringen, daß ich, Giuseppe, Graf von Salvatore, einen Sohn habe, der ein 'scioparto' ist? Ein Taugenichts? Ein Faulpelz, der keinen nützlichen Beitrag zum Gemeinwohl unserer schönen Heimatstadt Florenz leisten will?
Wie soll ich meinen Freunden je wieder gegenübertreten?“ Die Bediensteten zogen sich etwas zurück, als sich Giuseppe immer mehr in Wut redete. Damon zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Wenn du diese Schmarotzer Freunde nennen willst, die dir nur schmeicheln in der Hoffnung, daß du ihnen Geld borgst, ist das deine Sache.“ „Du elender Tagedieb!“ schrie Giuseppe und stand von seinem Stuhl auf. „Ist es nicht schon schlimm genug, daß du auch während des Studiums deine Zeit und mein Geld verschwendest? Oh, ja, ich weiß alles über deine Spielsucht, die Duelle und die Weibergeschichten. Und ich weiß auch, daß du es nur deinem Sekretär und deinen Privatlehrern zu verdanken hast, daß du nicht in jeder Klasse versagst. Aber warum willst du mich jetzt ganz und gar entehren? Warum?
Sag mir, warum?“ Seine kräftige Hand packte Damon am Kinn.
„Warum willst du nicht wenigstens zum Schein zurückkehren an die Universität, wo du doch sowieso dein Lotterleben weiterführst?“ Stefan mußte anerkennen, daß Damon ganz ruhig blieb. Er stand stolz da, jeder Zentimeter ein Aristokrat von der elegant schlichten Kappe auf seinem schwarzen Haar über das nerzbesetzte Cape bis hin zu den weichen Lederschuhen. Ein arrogantes Lächeln spielte um seine Lippen.
Diesmal bist du zu weit gegangen, dachte Stefan, während er die beiden Männer betrachtete, die einander anblickten. Selbst dein Charme wird dir diesmal nicht aus der Patsche helfen können. Genau in diesem Moment hörte man leichte Schritte vom Eingang des Studierzimmers. Stefan drehte sich um und war sofort wieder verzaubert von den dunkelblauen Augen, die von langen, blonden Wimpern umrahmt wurden. Es war Katherine. Ihr Vater, der Baron von Swartzschild, hatte sie aus dem kalten Deutschland nach Italien gebracht, damit sie sich von einer langen Krankheit erholte. Seit dem Tag ihrer Ankunft hatte sich alles für Stefan verändert. „Entschuldigung. Ich wollte nicht stören.“ Ihre Stimme war sanft und klar. Sie wandte sich mit einer zögernden Bewegung zum Gehen. „Nein, bleib hier“, sagte Stefan schnell. Er wollte noch etwas hinzufügen, nach ihrer Hand greifen, aber er wagte es nicht.
Nicht vor seinem Vater. Alles, was er tun konnte, war, in diese wunderbaren, blauen Augen zu schauen, die ihn jetzt anblickten. „Ja, bleibe ruhig“, ertönte Giuseppes Stimme.
Stefan sah, daß sich seine düstere Miene erhellt hatte. Er ließ Damon los, trat einen Schritt vor und glättete die schweren Falten seines langen, pelzgeschmückten Gewandes. „Dein Vater wird bald von Geschäften in der Stadt zurückerwartet. Er wird sich freuen, dich zu sehen. Aber deine Wangen sind bleich, kleine Katherine. Du wirst doch nicht wieder krank werden?“ „Ihr wißt, daß ich immer blaß bin, Sir. Ich benutze kein Rouge wie die wagemutigen italienischen Mädchen.“ „Das hast du auch nicht nötig“, entfuhr es Stefan, bevor er es verhindern konnte. Katherine lächelte ihn an. Sie war so schön.
Ein dumpfer Schmerz breitete sich in seiner Brust aus. Sein Vater fuhr fort: „Und ich sehe am Tag viel zu wenig von dir. Vor der Abenddämmerung bereitest du uns nur zu selten die Freude deiner Gesellschaft.“ „Ich habe meine Studien und andere Verpflichtungen, die mich in meinen eigenen Räumen halten, Sir“, erwiderte Katherine leise und senkte den Blick.
Stefan wußte, daß das nicht stimmte. Doch er schwieg.
Niemals würde er Katherines Geheimnis verraten. Sie sah seinen Vater wieder an. „Aber jetzt bin ich hier, Sir.“ „Ja, ja, richtig. Ich werde veranlassen, daß wir zur Feier der Rückkehr deines Vaters heute abend ein Festmahl veranstalten.
Damon... wir sprechen uns später.“ Während Giuseppe einen Diener herbeiwinkte und hinausging, drehte sich Stefan voller Freude zu Katherine um. Es war selten, daß sie sich ohne die Anwesenheit seines Vaters oder ihrer deutschen Dienerin Gudren unterhalten konnten. Aber was Stefan sah, traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Katherine lächelte - das kleine, geheime Lächeln, das sie oft geteilt hatten.
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