Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
stehen und blickte auf seine abgenutzten Tennisschuhe. Elena erkannte sie vom letzten Jahr. Matts Familie kam gerade so über die Runden. Vielleicht hatte er sich keine neuen Schuhs leisten können. Sie sah hoch und merkte, daß sein Blick jetzt auf sie gerichtet war. „Und du, du siehst heute richtig super aus“, sagte er leise. Elena öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Matt kam ihr zuvor.
„Wahrscheinlich hast du mir was zu sagen.“ Sie starrte ihn an, und er lächelte ein wenig traurig. Dann streckte er wieder die Arme aus. „Oh, Matt.“ Elena umarmte ihn fest. Sie trat einen Schritt zurück und sah ihm ins Gesicht. „Matt, du bist der netteste Typ den ich jemals getroffen hab. Ich verdiene dich gar nicht.“ „Ach, deshalb machst du Schluß mit mir?“
antwortete er, als sie weitergingen. „Weil ich zu gut für dich bin. Das hätte mir schon früher klarwerden sollen.“ Elena boxte ihn sanft in den Arm. „Nein, das ist es nicht, Und ich mache auch nicht Schluß mit dir. Wir bleiben Freunde, okay?“ „Klar. Aber sicher doch.“ „Mir ist nämlich aufgefallen, daß wir das sind.“ Sie blieb stehen und sah ihn wieder an.
„Gute Freunde. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Sei ehrlich, Matt. Geht es dir nicht wie mir? Empfindest du nicht im Grunde auch nur Freundschaft für mich?“ Er runzelte die Stirn.
„Dein plötzlicher Entschluß hat nicht zufällig was mit dem neuen Typen zu tun?“ „Nein“, antwortete Elena nach kurzem Zögern, dann fuhr sie schnell fort: „Ich kenn den doch gar nicht.“ „Aber du willst ihn kennenlernen. Nein, sag nichts.“ Er legte ihr den Arm um die Schulter und drehte sie sanft um.
„Machen wir uns auf den Schulweg. Wenn noch Zeit bleibt, kaufe ich dir sogar ein Stück Kuchen.“ Während sie weitergingen, raschelte es heftig in dem Walnußbaum über ihnen. Matt pfiff leise und deutete nach oben. „Schau mal, das ist die größte Krähe, die je ich gesehen hab.“ Elena hob den Blick, aber der Vogel war schon fort. Die Schule diente Elena an diesem Tag nur dazu, ihren Plan durchzuführen. Sie war am Morgen aufgewacht und wußte genau, was sie zu tun hatte.
Heute sammelte sie so viele Informationen wie nur möglich zum Thema Stefan Salvatore. Das war nicht schwer, denn jeder auf der Robert E. Lee High School redete über ihn. Es war allgemein bekannt, daß er gestern eine Art Zusammenstoß mit der Verwaltungssekretärin gehabt hatte. Und heute war er in das Büro des Direktors bestellt worden. Es hatte wohl etwas mit seinen Papieren zu tun. Doch der Direktor hatte ihn wieder in den Unterricht geschickt. Es wurde gemunkelt, ein Ferngespräch mit Rom -- oder war es Washington? -hätte alles in Ordnung gebracht. Zumindest, was das Amtliche betraf. Als Elena an diesem Nachmittag zu ihrer Unterrichtsstunde europäische Geschichte ging, wurde sie auf dem Flur mit anerkennenden Pfiffen begrüßt. Dick Carter und Tyler Smallwood hingen vor dem Klassenzimmer rum. Die beiden hielten sich für die Größten, nur weil sie in der Footballmannschaft Verteidiger und Stürmer waren. Elena blieb auf dem Gang stehen, um ihr Make-up aufzufrischen. Sie hatte Bonnie genaue Anweisungen gegeben. Der Plan sollte sofort in Kraft treten, sobald Stefan auftauchte. Der Spiegel der Puderdose erlaubte ihr, den ganzen Flur zu überblicken.
Trotzdem verpaßte sie ihn irgendwie. Plötzlich war er neben ihr. Sie schloß schnell die Puderdose, als er an ihr vorüberging.
Eigentlich hatte sie ihn aufhalten wollen, aber etwas kam dazwischen. Stefan wirkte mit einem Mal angespannt und wachsam. In diesem Moment traten Dick und Tyler vor die Tür des Klassenzimmers und blockierten den Weg. Volltrottel, dachte Elena. Sie warf den beiden über Stefans Schulter hinweg wütende Blicke zu. Die genossen das Spiel, blieben in der Türöffnung stehen und taten so, als würden sie Stefan nicht sehen. „Entschuldigung.“ Es war derselbe Tonfall, den er dem Geschichtslehrer gegenüber benutzt hatte. Ruhig und distanziert. Dick und Tyler sahen erst sich an und dann in der Gegend herum, als würden sie Geisterstimmen hören.
„'tschuldigung!“ zwitscherte Tyler mit übertrieben hoher Stimme. Er klimperte mit den Wimpern, und beide lachten.
Elena beobachtete, wie sich unter dem T-Shirt Stefans Muskeln anspannten. Es war total unfair. Die beiden Rüpel waren größer als Stefan, und Tyler war außerdem ungefähr doppelt so breit wie er. „Gibt es hier ein Problem?“ Elena war so überrascht
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