Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
jetzt merkte sie erschrocken, wie seine Hände grapschend nach ihrer nackten Haut suchten. Noch nie in ihrem Leben hatte Elena sich in einer solchen Situation befunden, so weit weg von jeder Hilfe. Sie zielte mit ihrem spitzen Absatz zwischen seine Beine, aber er wich geschickt aus. „Tyler, nimm die Hände weg!“ „Komm, Elena. Stell dich nicht so an. Ich möchte dich nur am ganzen Körper aufwärmen... „Laß mich gehen.“ Sie versuchte, sich von ihm zu befreien. Tyler stolperte und preßte plötzlich sein ganzes Gewicht gegen sie. Elena fiel zu Boden und landete in einem Gestrüpp aus Efeu und Unkraut... Ich bring dich um, Tyler. Das ist kein Witz! Geh von mir runter!“ Tyler machte einen halbherzigen Versuch, zur Seite zu rollen, kicherte plötzlich und blieb mit schlappen Gliedern liegen. „Mensch, Elena. Nun werd' nicht gleich sauer. Ich wärme dich doch bloß.
Elena, die Eisprinzessin, wird jetzt aufgetaut. Na, wie gefällt dir das?“ Sie fühlte seinen Mund naß und heiß auf ihrem Gesicht.
Sie war unter ihm gefangen und spürte mit hilfloser Wut, wie seine Küsse ihren Hals hinunterwanderten. Plötzlich hörte sie das Reißen von Stoff. „Oje“, murmelte Tyler. „Tut mir leid.“
Elena drehte den Kopf. Ihr Mund berührte Tylers Hand, die linkisch ihre Wange streichelte. So fest sie konnte biß sie zu.
Sie schmeckte Blut, und Tyler schrie auf. Die Hand wurde weggerissen. „He, ich hab mich doch entschuldigt.“ Tyler betrachtete wehleidig die kleine Wunde. Dann verdüsterte sich seine Miene, und er ballte die Hand langsam zur Faust. Das war's, dachte Elena mit alptraumhafter Ruhe. Er wird mich bewußtlos schlagen oder sogar töten. Sie machte sich auf den ersten Schlag gefaßt.
Stefan hatte sich dagegen gewehrt, zum Friedhof zu gehen.
Alles in ihm hatte sich gesträubt. Das letzte Mal war er an dem Abend dort gewesen, an dem er den Alten... Horror überfiel ihn, wenn er daran dachte. Er hätte geschworen, daß er dem alten Mann nur soviel Blut abgenommen hatte, daß es nicht schädlich war. Aber alles in dieser Nacht, was nach dem Ausbruch der geheimnisvollen Kraft geschehen war, war verschwommen. Wenn es überhaupt einen solchen Ausbruch gegeben hatte. Vielleicht war er nur seiner Phantasie entsprungen, oder er hatte ihn selbst ausgelöst. Merkwürdige Dinge konnten geschehen, wenn das Verlangen zu groß wurde.
Stefan schloß die Augen. Als er gehört hatte, daß der alte Mann, dem Tode nah, im Krankenhaus lag, war sein Schock zu groß gewesen, um ihn in Worte zu fassen. Wie konnte er so die Kontrolle über sich verlieren? Fast zu töten, dabei hatte er nicht mehr getötet, seit... Jetzt stand er in der mitternächtlichen Dunkelheit vor dem Tor des Friedhofs und wollte nichts mehr, als sich umdrehen und weggehen. Zurück zum Ball, wo er Caroline zurückgelassen hatte. Caroline, die bei all ihrer dunklen Schönheit sicher war, weil sie ihm absolut nichts bedeutete.
Aber er konnte nicht zurück, denn Elena befand sich auf dem Friedhof. Er konnte sie spüren, konnte ihre steigende Angst fühlen. Elena war in Schwierigkeiten, und er mußte sie finden.
Er war halb den Hügel hoch, als ihn der Schwindel überfiel.
Schwankend lief er auf die Kirchenruine zu, weil sie das einzige war, was er noch einigermaßen erkennen konnte. Graue Nebelschleier hüllten seinen Verstand ein, und er mußte um jeden Schritt kämpfen. Schwach, er war so schwach. Und hilflos gegen das übermächtige Schwindelgefühl.
Er mußte... Elena finden. Aber er hatte keine Kraft mehr. Er durfte nicht... schwach sein, wenn er... Elena helfen wollte. Er mußte unbedingt... Vor ihm erschien wie ein gähnender Schlund das dunkle Loch der Kirchentür. Elena blickte auf den Mond über Tylers linker Schulter. Es schien ihr irgendwie passend, daß er das letzte war, was sie auf dieser Welt sehen würde. Ein Schrei war ihr vor lauter Angst in der Kehle steckengeblieben.
Und dann wurde Tyler hochgerissen und gegen den Grabstein seines Großvaters geschleudert. Jedenfalls kam es Elena so vor. Keuchend rollte sie sich zur Seite, hielt mit einer Hand das zerrissene Kleid zusammen und suchte mit der anderen nach einer Waffe. Sie brauchte keine. Etwas bewegte sich in der Dunkelheit, und sie erkannte, wer Tyler hochgehoben hatte.
Stefan Salvatore. Noch nie hatte sie ihn so erlebt. Sein aristokratisches Gesicht war weiß vor Wut. In seinen grünen Augen tanzte ein mörderisches Licht. Auch ohne sich zu bewegen, strahlte er soviel Zorn
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