Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
starrten ihr fassungslos nach. In der Turnhalle schmiß Elena sich voll ins Geschehen.
Sie war witziger als je zuvor bei einem Ball. Sie tanzte mit jedem, lachte zu laut und flirtete zu heftig. Man rief sie zur Krönung. Sie stand auf der Bühne und blickte hinunter auf die bunte Menge. Jemand überreichte ihr Blumen, ein anderer drückte ihr die Straßkrone aufs Haar. Es gab Applaus. Elena erschien alles unwirklich wie ein Traum. Sie flirtete mit Tyler, weil er am nächsten stand, als sie von der Bühne kam. Dann fiel ihr wieder ein, was er und Dick mit Stefan veranstaltet hatten, und sie gab ihm eine Rose aus ihrem Blumenstrauß.
Matt sah mit zusammengekniffenem Mund von der Seitenlinie aus zu. Tylers vergessene Freundin war den Tränen nah. Elena konnte jetzt den Alkohol in Tylers Atem riechen. Sein Gesicht war rot. Seine Kumpel standen um sie herum, eine schreiende, lachende Meute. Sie beobachtete, wie Dick etwas aus einer braunen Papiertüte in seinen Punsch goß. Sie war noch nie mit dieser Clique zusammengewesen. Man hieß sie herzlich willkommen, bewunderte sie, und die Jungs kämpften um ihre Aufmerksamkeit. Witze wurden gerissen, und auch wenn sie keinen Sinn ergaben, lachte Elena. Tyler legte den Arm um ihre Taille, und sie lachte noch mehr. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Matt den Kopf schüttelte und wegging. Die Mädchen wurden schriller, und die Jungs wurden mutiger. Tyler pflanzte nasse Küsse auf Elenas Hals. „Ich hab eine Idee!“ verkündete er und preßte Elena enger an sich. „Gehen wir irgendwohin und machen ein Faß auf.“ Jemand schrie: „Und wohin, Tyler? Zu dir nach Hause?“ Tyler grinste alkoholumnebelt. „Nein. Das ist doch langweilig. Wir wollen doch was erleben. Wie wär's mit dem Friedhof?“ Die Mädchen kreischten auf, die Jungs stießen einander an. Tylers Freundin stand immer noch außerhalb des Kreises. „Tyler, das ist verrückt“, sagte sie mit hoher, dünner Stimme. „Du weißt, was dem alten Mann zugestoßen ist. Ich werde nicht mitgehen.“ „Super, dann bleibst du eben hier.“
Tyler holte seine Autoschlüssel aus der Tasche und wedelte mit ihnen herum. „Wer hat keine Angst?“ rief er herausfordernd. „He, ich bin dabei“, sagte Dick, und die anderen stimmten laut zu. „Ich auch“, meldete Elena sich trotzig. Sie lächelte Tyler an, und er riß sie fast von den Füßen.
Dann führten Tyler und sie die laute, wilde Gruppe zum Parkplatz, wo sie sich auf verschiedene Autos verteilten. Tyler machte das Verdeck seines Sportcabrios auf. Elena stieg bei ihm ein. Dick und ein Mädchen namens Vickie Bennett quetschten sich auf den Rücksitz. „Elena!“ rief jemand von weit her aus der erleuchteten Tür der Turnhalle. „Fahr los!“ befahl sie Tyler und nahm ihre Krone ab. Der Motor heulte auf. Mit qualmenden Reifen ließen sie die Schule hinter sich. In der Luft lag der Geruch von verbranntem Gummi, und der kühle Nachtwind blies Elena ins Gesicht.
7. KAPITEL
Mit geschlossenen Augen genoß Bonnie auf der Tanzfläche die Musik. Als sie sie einen Moment öffnete, sah sie, wie Meredith sie von der Seitenlinie zu sich heranwinkte. Bonnie schob trotzig das Kinn vor, doch als Merediths Gesten drängender wurden, schaute sie bedauernd zu Raymond hoch und gehorchte. Raymond folgte ihr. Matt und Ed standen hinter Meredith. Matts Miene war düster. Ed fühlte sich in seiner Haut sichtlich unwohl.
„Elena ist gerade gegangen'', begann Meredith. „Das hier ist ein freies Land.“ Bonnie zuckte mit den Schultern. „Sie ist mit Tyler Smallwood weg“, erklärte Meredith Matt, hast du wirklich nicht gehört, wo sie hin wollten?“ Matt schüttelte den Kopf. „Egal, was passiert, sie hat es sich eigentlich selbst zuzuschreiben.
Aber irgendwie ist alles auch meine Schuld“, meinte er ernst.
„Wir sollten nach ihr suchen.“ „Jetzt?“ fragte Bonnie ungläubig.
Sie schaute zu Meredith, die mit den Lippen lautlos die Worte formte: „Du hast es versprochen.“ „Das glaub ich einfach nicht“, mummelte sie wütend. „Keine Ahnung, wie wir sie finden sollen, aber wir müssen's zumindest versuchen“, sagte Meredith fest. Dann fügte sie seltsam zögernd hinzu: „Bonnie, du weißt nicht zufällig, wo sie ist?“ „Was? Natürlich nicht. Ich hab getanzt. Du hast doch sicher schon davon gehört. Wozu geht man zu einem Ball? Zum Tanzen!“ „Ed und Ray, ihr bleibt hier“, befahl Matt. „Sollte sie zurückkommen, sagt ihr, daß wir draußen nach ihr suchen.“
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