Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
wenn er am Schluß nicht am nächsten Baum hängt. Du bist ganz sicher, daß die Beweise da sind?“ „Wie oft muß ich dir das noch sagen? Als erstes steht drin, daß sie am zweiten September ihr Haarband auf dem Friedhof verloren hat. Weiter heißt es, daß Stefan es an genau dem Tag aufgehoben und behalten hat. Die Wickery-Brücke liegt direkt neben dem Friedhof. Das bedeutet, daß sich Stefan am zweiten September dort aufgehalten hat, und zwar an dem Abend, an dem der alte
Mann angegriffen wurde. Jeder weiß bereits, daß er bei den Angriffen auf Tanner und Vickie seine Hand im Spiel hatte. Was willst du mehr?“ „Vor Gericht würde das Beweismaterial nie standhalten. Vielleicht sollte ich mir Zeugen suchen. Man könnte die alte Mrs. Flowers fragen, zu welcher Zeit er in jener Nacht nach Hause gekommen ist“, überlegte Tyler.
„Wen interessiert das schon? Die meisten halten ihn sowieso für schuldig. lm Tagebuch steht etwas von einem großen Geheimnis, das er vor allen verbirgt. Die Leute werden schon verstehen, was gemeint ist.“
„Hast du das Buch gut versteckt?“ „Nein, Tyler. Es liegt offen herum. Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“ „Für blöd genug, um Elena Notizen zu schicken, die sie auf unsere Spur lenken könnten.“ Er raschelte mit etwas, das sich wie eine Zeitung anhörte. „Schau dir das an. Es ist unglaublich. Und es muß sofort aufhören. Was ist, wenn sie uns auf die Schliche kommt?“ „Was soll sie groß machen? Die Polizei benachrichtigen?“ „Ich will trotzdem, daß du damit aufhörst.
Warte bis zum Gründungstag. Dann wirst du sehen, wie die Eisprinzessin schmilzt.“ „Und ich kann Stefan Lebewohl sagen.
Tyler... sie werden ihm doch nichts antun, oder?“ „Wen interessiert das schon?“ äffte er ihren früheren Tonfall nach. „Das mußt du mir und meinen Freunden überlassen, Caroline. Spiel du nur deine Rolle, okay?“ Carolines Stimme wurde dunkel und verführerisch. „Komm, überrede mich, Baby.“ Nach einer kurzen Pause lachte Tyler selbstgefällig.
Man hörte Bewegungen, dann ein Rascheln und Seufzer. Elena drehte sich um und verließ den Raum so leise, wie sie gekommen war. Sie bog in den nächsten Flur ein, lehnte sich gegen die Schließfächer und versuchte, in Ruhe nachzudenken.
Es war fast zuviel, um alles zu verarbeiten. Caroline, die einmal ihre beste Freundin gewesen war, hatte sie verraten und wollte sie vor der ganzen Schule bloßstellen. Tyler, der sich stets mehr als lautstarker Macho hervorgetan hatte, statt wirklich gefährlich zu sein, plante jetzt, Stefan aus der Stadt zu vertreiben oder sogar zu töten. Und das Schlimmste war, sie benutzten Elenas eigenes Tagebuch dazu.
Jetzt verstand sie den Anfang ihres Traumes von letzter Nacht.
Sie hatte in der Nacht, bevor Stefan vermißt wurde, einen ähnlichen Traum gehabt. Beide Male hatte er sie mit ärgerlichen, anklagenden Blicken angesehen, hatte ihr ein Buch vor die Füße geworfen und war davongestürmt.
Nicht irgendein Buch. Ihr Tagebuch. Welches Beweise enthielt, die Stefan zum Verhängnis werden konnten. Drei Menschen waren in Fell's Church angegriffen worden. Und alle drei Male war Stefan in der Nähe gewesen. Was würden die Stadtbevölkerung und die Polizei wohl daraus schließen?
Es gab keinen Weg, die Wahrheit zu sagen. Wie würde das wohl in den Ohren der anderen klingen: „Stefan ist unschuldig. Sein Bruder haßt ihn und weiß, wie sehr Stefan den Gedanken an Leid und Tod verabscheut. Er ist Stefan gefolgt und hat Menschen angegriffen, damit Stefan glaubt, er sei es selbst gewesen, und am Ende im Wahnsinn endet. Sein Bruder ist irgendwo in der Stadt. Sucht auf dem Friedhof oder in den Wäldern. Haltet aber nicht nur nach einem gutaussehenden, jungen Mann Ausschau. Denn es könnte sein, daß er sich gerade in eine Krähe verwandelt hat. Übrigens, ehe ich es vergesse, er ist ein Vampir.“
Sie konnte es ja selbst kaum glauben. Es war zu verrückt. Ein leichter Schmerz an ihrem Hals erinnerte sie wieder daran, wie ernst die ganze Sache tatsächlich war. Sie fühlte sich heute so komisch, fast, als wäre sie krank. Und das lag nicht nur an der ganzen Aufregung und daran, daß sie wenig geschlafen hatte.
Ihr war leicht schwindlig. Manchmal schien der Boden unter ihren Füßen nachzugeben, um im nächsten Moment elastisch zurückzufedern.
Alles sah nach den Anzeichen einer Grippe aus. Doch Elena war sicher, daß die Ursache für ihre Mattigkeit eine andere sein
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