Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
bis zum Gründungstag und zulassen, daß Caroline vor der ganzen Stadt aus Elenas Tagebuch vorliest? Sie hat es aus deinem Haus gestohlen. Wir werden es uns einfach zurückholen“, erklärte Meredith mit aufreizender Ruhe. „Man wird uns schnappen. Wir werden von der Schule fliegen. Wenn wir nicht sogar im Gefängnis landen.“
Bonnie wandte sich hilfesuchend an Elena. „Sprich du mit ihr.“ „Also...“ Wenn Elena ehrlich war, verursachte die Vorstellung auch bei ihr ein flaues Gefühl. Von der Schule zu fliegen oder im Gefängnis zu landen, kam ihr dabei halb so schlimm vor. Aber die Schande, auf frischer Tat ertappt zu werden... Elena sah Mrs. Forbes' hochmütiges Gesicht direkt vor sich. Dann verwandelte es sich in Carolines spöttische, selbstgefällige Miene, während ihre Mutter anklagend mit dem Finger auf Elena zeigte. Außerdem kam es ihr wie eine totale Verletzung der Privatsphäre vor, in ein Haus einzudringen und in fremden Sachen zu wühlen. Sie haßte die Vorstellung, daß ihr so etwas passieren könnte.
Aber es war in gewisser Weise ja schon geschehen. Caroline hatte sich auf diebische Weise bei Bonnie eingeschlichen, das Tagebuch gestohlen und hielt nun Elenas ganz private Gedanken und Gefühle in den Händen.
„Tun wir's“, sagte sie leise. „Aber seien wir vorsichtig dabei.“ „Wollen wir es uns nicht noch einmal überlegen?“ fragte Bonnie ängstlich und schaute von Meredith' entschlossener Miene zu Elena.
„Da gibt es nichts zu überlegen. Du kommst mit.“ Meredith duldete keinen Widerspruch. „Du hast es versprochen“, fügte sie hinzu, als Bonnie von neuem den Mund öffnen wollte. Sie hielt ihren Zeigefinger hoch.
„Der Blutschwur diente doch nur dazu, Elena zu helfen, Stefan einzufangen“, protestierte Bonnie.
„Denk mal nach“, erinnerte Meredith sie. „Du hast geschworen, alles zu tun, was Elena in bezug auf Stefan verlangt. Es gab weder ein Zeitlimit noch sonst irgendeine Einschränkung.“
Bonnie schwieg verdutzt. Sie sah zu Elena hinüber, die trotz allem beinahe lachen mußte. „Das stimmt“, erwiderte diese ernst. „Und du hast selbst behauptet: ,Mit Blut schwören bedeutet, daß man zu seinem Eid stehen muß, egal, was auch geschieht.’“
Bonnie streckte trotzig das Kinn vor. „O weh“, sagte sie bitter.
„Jetzt bin ich für den Rest meines Lebens dazu verdonnert, alles zu tun, was Elena von mir verlangt. Na, toll!“
„Es ist das letzte, worum ich dich je bitten werde“, erwiderte Elena ernst. „Und ich verspreche, nein, ich schwöre...“ „Nicht!“
unterbrach Meredith sie schnell. „Nicht, Elena. Es könnte dir leid tun.“
„Beschäftigst du dich jetzt auch schon mit der Wahrsagerei?“
Elena war eigentlich nicht zum Scherzen zumute. Sie kam zum Thema zurück. „Wie stellen wir es also am besten an, uns für etwa eine Stunde Carolines Hausschlüssel auszuborgen?“
Samstag, 9. November Liebes Tagebuch, es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat. In letzter Zeit bin ich zu beschäftigt oder zu traurig gewesen - manchmal sogar beides - um etwas niederzuschreiben. Außerdem, nach allem, was passiert ist, fürchte ich mich fast davor, ein Tagebuch zu führen. Aber ich brauche jemanden, dem ich mich rückhaltlos anvertrauen kann. Und im Moment gibt es niemanden, vor dem ich kein Geheimnis habe. Bonnie und Meredith dürfen die Wahrheit über Stefan nicht erfahren. Stefan soll nichts von Damon und mir wissen. Tante Judith muß über alles völlig im unklaren gelassen werden. Bonnie und Meredith kennen das Problem mit Caroline und meinem Tagebuch. Stefan nicht. Stefan hingegen weiß, daß ich jeden Tag das Eisenkraut benutze.
Bonnie und Meredith haben davon keine Ahnung, obwohl ich beiden auch etwas davon gegeben habe. Ein Gutes hat es. Es scheint zu wirken. Ich bin nicht mehr im Schlaf umhergewandelt seit jener verhängnisvollen Nacht. Aber es wäre gelogen zu behaupten, daß ich nicht von Damon träume.
Er ist in all meinen Alpträumen. Mein Leben besteht im Moment aus lauter Lügen, und, wie gesagt, ich brauche jemand, mit dem ich völlig ehrlich sein kann. Ich werde das Tagebuch unter einem losen Dielenbrett im Schrank verstecken, so daß es
niemand findet, auch wenn ich eines Tages tot umfallen sollte und das Zimmer ganz ausgeräumt wird. Vielleicht werden hier Margarets Enkel einmal spielen und das Versteck entdecken.
Aber bis dahin wird es bestimmt niemandem gelingen. Das Tagebuch ist mein letztes Geheimnis.
Warum denke ich
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