Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
spüren. „Ruhelose Geister“, murmelte Bonnie.
„Hmm?“ fragte Meredith, als sie über den Trümmerhaufen stieg, der einst eine Wand der zusammengefallenen Kirche gewesen war. „Schaut, der Deckel zur Gruft ist noch offen. Das ist prima. Wir hätten es nämlich niemals geschafft, ihn hochzustemmen.“ Bonnie
betrachtete
nachdenklich
die
weißen Marmorstatuen, die den Deckel schmückten.
Honoria Fell lag dort neben ihrem Mann, die Hände über der Brust gefaltet. Ihr Ausdruck war sanft und zugleich ein wenig wehmütig wie immer. Aber Bonnie wußte, daß von dort keine Hilfe mehr kommen würde. Honorias Pflichten als Beschützerin der Stadt, die sie gegründet hatte, waren erfüllt.
So hat Elena die ganze Verantwortung, dachte Bonnie grimmig und schaute in die rechteckige Öffnung. Der Eingang zur Krypta. Eisenstiegen führten hinab in die Dunkelheit.
Selbst mit der Hilfe von Meredith' Taschenlampe war es schwierig, in den unterirdischen Raum hinunterzuklettern.
Drinnen war es muffig und still. Die Wände waren mit poliertem Stein verkleidet. Bonnie erschauderte.
„Da“, sagte Meredith leise. Matt hatte den Strahl der Taschenlampe auf das Eisengitter gerichtet, das den Vorraum von der eigentlichen Krypta trennte. Der Boden war an einigen Stellen schwarz von geronnenem Blut. Bonnie wurde schwindlig, als sie die Pfützen und Rinnsale sah. „Wir wissen, daß Damon am schlimmsten verletzt war.“ Meredith ging nach vorn. Sie schien ganz ruhig, doch Bonnie hörte die Angespanntheit in ihrer Stimme. „Also muß er sich auf dieser Seite befunden haben, wo das meiste Blut ist. Stefan sagte, Elena war in der Mitte. Das bedeutet, Stefan selbst muß... hier gewesen sein.“ Sie beugte sich hinunter. „Ich mach's“, sagte Matt rauh. „Du hältst die Taschenlampe.“ Mit einem Plastikmesser aus Meredith'
Auto kratzte er an den verkrusteten Steinen. Bonnie schluckte.
Sie war froh, daß sie nur Tee im Magen hatte. Von Blut zu reden, war eine Sache. Aber direkt damit konfrontiert zu werden... besonders, wenn es von einem Freund stammte, der gefoltert worden war...
Bonnie wandte den Blick ab. Sie betrachtete die Steinwände.
Ihre Gedanken schweiften zu Katherine. Beide, Stefan und sein älterer Bruder Damon, hatten sich in Katherine verliebt. Das war im Florenz des fünfzehnten Jahrhunderts geschehen. Aber sie hatten nicht gewußt, daß das schöne Mädchen kein menschliches Wesen mehr war. Ein Vampir in ihrem deutschen Heimatdorf hatte sie verwandelt, um ihr das Leben zu retten, als sie tödlich erkrankt war. Katherine wiederum hatte die beiden Brüder zu Vampiren gemacht.
Und dann, erinnerte sich Bonnie, hatte Katherine ihren eigenen Tod vorgetäuscht, damit Damon und Stefan aufhörten, um ihretwillen gegeneinander zu kämpfen. Aber es hatte nicht geklappt. Die Brüder haßten einander noch mehr als zuvor.
Und Katherine wiederum haßte die beiden, weil sie unversöhnlich waren. Sie war zu dem Vampir zurückgekehrt, der sie geschaffen hatte. Während die Jahre vergingen, wurde sie so böse wie er. Bis sie schließlich nur noch eins wollte.
Nämlich, die Brüder zerstören, die sie einst geliebt hatte. Sie lockte die beiden nach Fell's Church, um sie zu töten. In dieser Gruft war es
ihr beinahe gelungen. Elena hatte es verhindert. Und dafür mit dem Leben bezahlt. „Fertig“, sagte Matt. Bonnie blinzelte und kehrte in die Gegenwart zurück. Matt hatte sich aufgerichtet.
Er hielt eine Papierserviette in der Hand, auf der Flocken von Stefans getrocknetem Blut lagen. „Jetzt zum Haar.“
Sie streiften mit den Fingern über den Boden, fanden Staub, Teile von Blättern und Dinge, die Bonnie lieber nicht näher betrachten wollte. Zwischen dem Unrat lagen lange Strähnen von hellblondem Haar. Elenas - oder Katherines, dachte Bonnie. Die beiden hatten einander sehr geglichen. Und da waren kürzere, gelockte, schwarze Haare. Sie gehörten Stefan.
Es war langwierig und mühsam, alles zu durchsuchen und die richtigen Haare in einer anderen Serviette zu sammeln. Matt machte die meiste Arbeit. Am Ende waren sie müde und schmutzig. Das Licht, das durch die rechteckige Öffnung fiel, hatte inzwischen den bläulichen Ton der Abenddämmerung angenommen. Doch Meredith lächelte triumphierend.
„Wir haben's geschafft“, sagte sie. „Tyler möchte, daß Stefan zurückkommt. Okay, wir erfüllen ihm seinen Wunsch.“ Und Bonnie, die, noch immer in Gedanken verloren, nur halb abwesend bei der Suche geholfen hatte,
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