Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
lassen, wie damals auf Alarics Party. Sie wußte inzwischen, daß er gefährlich war. Zwar nicht so böse wie Katherine, aber trotzdem schlecht. Er tötete mutwillig, nur so aus Spaß. Letztes Halloween hatte er den Geschichtslehrer Mr. Tanner während der Spukhausfete der Schule ermordet. Er konnte jederzeit wieder zuschlagen. Vielleicht kam Bonnie sich, wenn sie ihn ansah, deshalb immer vor wie eine kleine Maus, die von einer schwarzen Schlange hypnotisiert wird.
In Meredith' Auto wechselten die beiden Freundinnen einen vielsagenden Blick. „Stefan hätte ihn nicht herbringen sollen“, meinte Meredith.
„Vielleicht ist er einfach mitgekommen“, überlegte Bonnie.
Damon war nicht der Typ, der sich irgendwo hinbringen ließ.
„Warum sollte er? Bestimmt nicht, um uns zu helfen, das ist sicher.“
Matt schwieg. Er schien die angespannte Atmosphäre im Auto nicht einmal zu bemerken. Er starrte nur gedankenverloren durch die Windschutzscheibe. Der Himmel bewölkte sich.
„Matt?“ „Laß ihn in Ruhe, Bonnie“, wies Meredith sie zurecht.
Na, prima, dachte Bonnie, während ihre Stimmung auf den Nullpunkt sank. Matt, Stefan und Damon. Alle drei waren wieder zusammen, und jeder war in Gedanken bei Elena. Sie parkten hinter der alten Scheune, direkt neben Damons Sportwagen. Als sie eintraten, war Stefan allein. Er wandte sich um, und Bonnie erkannte, daß er die Sonnenbrille abgenommen hatte. Ein leichter Schauder überlief sie. Die Härchen auf ihren Armen und in ihrem Nacken stellten sich auf. Stefan war so ganz anders als alle Jungs, mit denen sie es sonst zu tun hatte. Seine Augen waren tiefgrün, so grün wie die Eichenblätter im Frühling. Aber jetzt lagen tiefe Schatten unter ihnen.
Einen Moment herrschte Verlegenheit. Die drei standen auf der einen Seite und schauten Stefan schweigend an. Keiner schien zu wissen, was er sagen sollte. Dann ging Meredith zu ihm und nahm seine Hand. „Du siehst erschöpft aus“, meinte sie leise.
„Ich kam, so schnell ich konnte.“ Er umarmte sie kurz. Früher hätte er so etwas nie getan, dachte Bonnie. Er war immer sehr zurückhaltend gewesen. Sie trat nach vorn und umarmte ihn ebenfalls. Stefans Haut unter dem dünnen T-Shirt war eiskalt.
Sie mußte ein Zittern unterdrücken. Als sie sich wieder von ihm löste, standen Tränen in ihren Augen. Was fühlte sie jetzt, wo Stefan wieder in Fell's Church war? Erleichterung? Trauer wegen der Erinnerungen, die er auslöste? Angst? Sie wußte nur, daß sie große Lust hatte zu weinen.
Stefan und Matt betrachteten einander. Jetzt ist es so weit, dachte Bonnie. Es war fast komisch. Beide sahen gleich müde und verletzt aus, doch beide wollten es nicht zeigen.
Egal, was noch geschehen würde, Elena würde immer zwischen ihnen stehen. Schließlich streckte Matt die Hand aus, und Stefan schüttelte sie. Beiden traten einen Schritt zurück, froh, es hinter sich zu haben.
„Wo ist Damon?“ fragte Meredith. „Er schaut sich ein wenig um.
Ich dachte, wir sollten mal ein paar Minuten ohne ihn sein.“ „Ein paar Jahrzehnte wäre besser“, entfuhr es Bonnie, ehe sie sich zurückhalten konnte. „Wir können ihm nicht trauen, Stefan“, fügte Meredith hinzu. „Ich glaube, ihr irrt euch.
Er kann eine große Hilfe sein, wenn er will“, erwiderte Stefan leise. „Wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, jemanden zu ermorden“, gab Meredith zurück. „Du hättest ihn nicht herbringen sollen, Stefan.“ „Aber das hat er doch gar nicht getan.“ Die Stimme erklang hinter Bonnie und beängstigend nahe. Bonnie fuhr zusammen und suchte instinktiv Schutz bei Matt, der sie beruhigend an den Schultern packte. Damon lächelte kurz. Auch er hatte seine Sonnenbrille abgenommen, doch seine Augen waren nicht grün. Sie waren schwarz wie ein Nachthimmel ohne Sterne. Er sieht fast noch besser aus als Stefan, dachte Bonnie verwirrt. Sie fand Matts Hand und klammerte sich daran.
„So, sie gehört jetzt zu dir, stimmt's?“ fragte Damon Matt lässig. „Nein.“ Aber Matt ließ Bonnie nicht los. „Stefan hat dich also nicht mitgebracht?“ fragte Meredith kalt von der anderen Seite der Scheune her. Im Unterschied zu den anderen hatte Damon anscheinend kaum Einfluß auf sie. Sie schien sich weder vor ihm zu fürchten, noch von ihm beeindruckt zu sein.
„Nein.“ Damon schaute immer noch auf Bonnie. Er wendet sich nicht ab wie andere Leute, dachte sie. Er hält den Blick dorthin gerichtet, wo er will. Egal, wer mit ihm spricht.
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